Nabenschaltungen gibt es schon ewig, d.h. über hundert Jahre lang. Sie hatten zwar schon immer das Problem, vom Übersetzungsbereich nicht mit den Kettenschaltungen mithalten zu können, konnten dafür mit Zuverlässigkeit, Wartungsarmut und einer linearen Gangabstufung punkten. Aber als v.a. Shimano die Kettenschaltung in mehreren Schritten verbesserte, konnte diese in Sachen Zuverlässigkeit und Bequemlichkeit mithalten, sie wurde auch für das Alltagsrad interessant (z.B. durch idiotensichere Index-Schalthebel), und der Mountainbike-Boom Ende der 80er-Jahre verstärkte diesen Trend. Entsprechend führt die Nabenschaltung nur noch ein Nischendasein; wenn mal was kaputt ist, findet man nur noch selten jemand, der sich mit Nabenschaltungen wirklich auskennt, im Internet ist auch nicht viel Material vorhanden. Seit der genialen Rohloff Speedhub sind Nabenschaltungen aber wieder im Kommen – Grund genug, sich deren Funktionsweise mal anzuschauen. Weil z.B. bei älteren Brompton-Modellen britische Sturmey&Archer-Schaltungen verwendet werden, schreibe ich die Fachbegriffe auch in englisch auf.
Die Fahrrad-Nabenschaltung beruht auf dem Planetengetriebe: um ein feststehendes Zahnrad (Sonnenrad, sun pinion) rollen mehrere (typischerweise drei oder vier) kleinere Zahnräder (Planetenräder, planet pinions), die durch einen Ring miteinander verbunden sind (Planetenträger, planet cage). Außen herum ist ein Zylinder, der auf der Innenseite Zähne hat, in denen die Außenseiten der Planetenräder laufen (Hohlrad, gear ring). Dreht man nun das Hohlrad, so rollen die Planetenräder zwischen Hohlrad und Sonnenrad und drehen den Planetenträger, der sich aber langsamer dreht als das Hohlrad. Eine schöne CAD-Grafik einer Nabenschaltung findet sich übrigens hier.
Und damit haben wir schon eine einfache Schaltung zusammen: Ist die Fahrradkette über das Ritzel an das Hohlrad gekoppelt und treibt der Planetenträger das Rad an, so wird die Drehung des Ritzels untersetzt. Wenn dagegen das Ritzel am Planetenträger hängt und das Hohlrad das Rad antreibt, wird die Drehbewegung übersetzt. Wenn man jetzt noch drittens eine Möglichkeit vorsieht, den Kettenantrieb direkt (ohne Getriebe) an das Rad zu koppeln, hat man bereits eine Dreigang-Nabenschaltung.
Der Vollständigkeit halber erwähne ich noch eine weitere Kombinationsmöglichkeit, die aber bei Fahrrädern nicht genutzt wird: wenn der Antrieb am Sonnenrad ist, der Planetenträger festgehalten wird und das Hohlrad am Antriebsrad hägt, hat man einen Rückwärtsgang.
Das Kernstück einer 5-Gang-Nabenschaltung ist ein doppeltes Planetengetriebe, d.h. im Prinzip zwei Planetengetriebe nebeneinander. Die Planetenräder und damit auch die Sonnenräder haben verschiedene Durchmesser, und die Planetenräder beider Getriebe sind miteinander gekoppelt – das eine Ende hat einen großen Durchmesser und läuft auf dem kleinen Sonnenrad, das andere Ende hat einen kleinen Durchmesser und läuft entsprechend auf dem großen Sonnenrad. Nur das Hohlrad ist nicht doppelt vorhanden; es läuft auf den kleinen Planetenrädern, was auch ausreicht, weil die Planetenräder gekoppelt sind.
Um nicht nur den Aufbau, sondern v.a. die Funktionsweise zu verstehen, schauen wir uns mal das Verhalten in den verschiedenen Gängen an:
5. Gang: Das Ritzel treibt den Planetenträger an. Dabei ist das große Sonnenrad fixiert, das kleine kann sich frei mitdrehen (wären beide Sonnenräder fixiert, könnte sich gar nichts drehen), d.h. das große Sonnenrad bestimmt die Drehung der Planetenräder. Und diese treiben über das Hohlrad das Hinterrad an. Zwar sind sowohl das Hohlrad als auch der Planetenträger über Sperrklinken (pawls) an das Hinterrad gekoppelt, aber nur die Hohlrad-Sperrklinken treiben es an, weil sich das Hohlrad schneller dreht als der Planetenträger => die Planetenträger-Sperrklinken rutschen durch, weil sie sich im Verhältnis zum Hohlrad rückwärts bewegen.
4. Gang: Durch den Schaltvorgang wurde das kleine Sonnenrad fixiert, und das große kann sich frei drehen – ansonsten hat sich nichts geändert. Dadurch, dass jetzt das kleine Sonnenrad mit den großen Planetenrädern die Drehung bestimmt, ist die Übersetzung geringer als beim 5. Gang.
3. Gang: Durch den Schaltvorgang wurde jetzt das Kupplungsstück (clutch), das das Ritzel mit dem Planetengetriebe verbindet, ein Stück verschoben, dadurch ist das Ritzel jetzt an das Hohlrad statt an den Planetenträger gekoppelt. Wie vorher treiben die Hohlrad-Sperrklinken das Hinterrad an, die Planetenträger-Sperrklinken rutschen durch, weil sich der Planetenträger langsamer dreht – aber die Kraftübertragung erfolgt vom Ritzel direkt an das Hohlrad ohne den Umweg über das Planetengetriebe. Es findet also überhaupt keine Übersetzung statt, wie als wäre kein Getriebe vorhanden.
2. Gang: Durch den Schaltvorgang wurden die Hohlrad-Sperrklinken deaktiviert. Bei manchen Schaltungen (Fichtel&Sachs) wird dazu das Hohlrad verschoben, damit die Sperrklinken auf einer glatten Spur neben den Zähnen vorbeilaufen statt in sie hineinzugreifen, bei anderen Schaltungen (Sturmey&Archer) werden die Sperrklinken eingeklappt. Weil das Hohlrad keine Sperrklinken mehr hat, greifen jetzt die Planetenträger-Sperrklinken und treiben das Hinterrad an. Das Planetengetriebe wird jetzt also umgekehrt als im vierten Gang genutzt, es findet eine Untersetzung statt.
1. Gang: Durch den Schaltvorgang wurde jetzt wieder das große Sonnenrad statt dem kleinen fixiert, was eine stärkere Untersetzung ergibt.
Wie man sieht, ist zum Schalten nur jeweils eine Schiebebewegung nötig, die jeweils ein Teil von einer Position auf eine andere verschiebt. Es müssen nur Nocken an den richtigen Stellen sein, damit das Schaltungskettchen im jedem Gang das richtige Teil verschiebt. Die Gegenkraft kommt dabei von Federn; beispielsweise zieht das Schaltungskettchen im ersten bis dritten Gang das Kupplungselement zum Hohlrad, aber im vierten und fünften Gang ist weniger Zug auf dem Kettchen, so dass eine Spiralfeder das Kupplungsstück zum Planetenträger drückt.
Wie andere Nabenschaltungen funktionieren, kann ich nicht sagen – ich habe noch keine geöffnet gesehen. Aber vermutlich hat eine 7-Gang-Schaltung entsprechend ein dreifaches Planetengetriebe, so dass neben dem Direktgang die Unter- bzw. Übersetzung mit drei verschieden großen Sonnenrädern in jeweils drei verschiedenen Stufen gefahren werden kann.