Bei den meisten Aktivitäten, die mit Fortbewegung durch Muskelkraft zu tun haben, ist es entscheidend, Gewicht zu sparen – und trotzdem ausreichend ausgerüstet zu sein. Aber auch abgesehen davon macht es keinen Spaß, wenn man mit zu vielen zu schweren Taschen auf Bahnhof und Flughafen unterwegs ist. Hier sind ein paar Gedanken zu dem Thema.
Zunächst einmal ein paar typische Vorgehensweisen:
Der „Pauschaltourist“: Dieser hat nicht besonders viel Gepäck dabei, aber er lässt sich mit dem Taxi zum Flughafen fahren, ebenso vom Zielflughafen ins Hotel, und hält sich weitgehend nur dort auf. Denn er ist nicht in der Lage, etwas zu unternehmen, was ihm nicht vorbereitet vorgesetzt wird – selbst Wanderschuhe, um mal ein paar Kilometer am Stück zu laufen, fehlen.
Der „Camper“: Diese Spezies hat immer alles dabei. Typischerweise fahren sie einen Kombi, vollgestaut bis unter das Dach, am Dachgepäckträger sind weitere Pakete verzurrt, und hinten hängt der Wohnwagen. Sie sind zwar mobil und auf nicht viel fremde Infrastruktur angewiesen, aber treiben einen irrsinnigen Aufwand.
Der „Ausrüstungsfetischist“: Dieser hat immer die neueste Ausrüstung aus dem Outdoor-Laden, ist gerüstet, um den Mount Everest zu besteigen und den Regenwald zu durchqueren, allerdings wird er das nie tun, weil er sich immer Sorgen macht, noch nicht ausreichend vorbereitet zu sein.
Der „Minimalist“: Dieser ist das genaue Gegenteil; er hat fast nichts dabei, und was er hat, ist maßgeschneidert. Im Extremfall vertritt er die These: „Außer meiner Kreditkarte brauche ich nichts.“ Das mag schon so stimmen – allerdings zu dem Preis, dass er extrem abhängig von Infrastruktur ist, und nur bei Idealbedingungen anzutreffen ist. Ansonsten verwandelt er sich in eine der anderen Spezies.
Interessant ist hier, sich zu fragen, warum diese Leute sich so verhalten.
Beim Pauschaltourist ist es klar, er hat keine besonderen Vorstellungen, und ist damit zufrieden, was ihm vorgesetzt wird. Er ist durchaus anpassungsfähig, so lange das kaum Eigeninitiative erfordert.
Beim Camper vermute ich, er möchte sich stets wie zu Hause fühlen – der Wohnwagen als Schneckenhaus; daher spielt wohl auch Effizienz keine so große Rolle, man will sich nicht flexibel an die Bedingungen anpassen, sondern alles soll so sein wie immer.
Der Minimalist ist in meinen Augen eher ein Weichei, denn er drückt sich vor jeglicher Vorbereitung; sein Konzept besteht darin, Schwierigkeiten aus dem Weg zu gehen, statt sie selbst lösen zu können – allerdings vertraut er auch darauf, improvisieren zu können, was positiv ist.
Das genaue Gegenteil davon ist der Ausrüstungsfetischist; er erliegt jedoch dem Irrtum, alles alleine durch die Vorbereitung erschlagen zu können, so dass man nachher nicht mehr nachdenken und improvisieren muss, sondern alles nach Plan verläuft.
Was in allen obigen Fällen vergessen wird: Vorbereitung bedeutet nicht nur, eine geeignete Ausrüstung zu beschaffen – sondern auch, sich genau darüber bewusst zu werden, was man denn eigentlich wirklich machen will. Ist die Vorstellung darüber ein diffuses „irgendwas, aber das möglichst gut“, wird der Betreffende einen riesigen Haufen teurer Ausrüstung spazierentragen. Vorbereitung passiert also nicht nur im Geschäft, sondern zum einen auch im Kopf, und zum anderen, indem man sich herantastet und so unrealistische Vorstellungen eliminiert.
Natürlich ist das mühsam, natürlich braucht das viel Zeit und Mühe. Aber es ist kein Selbstzweck – sondern man bekommt ein besseres Urteilsvermögen. Für mich ist das sogar einer der zentralen Gründe, warum ich lange Strecken mit dem Fahrrad fahre. Denn das Auto ist nicht nur schneller und bequemer, sondern vor allem stets überdimensioniert. Erstaunlich viele typische Auto-Strecken kann man tatsächlich auch mit dem Fahrrad bewältigen, wenn man jeweils passend vorbereitet ist. Im Auto ist es dagegen egal, ob die Strecke kurz oder lang ist, ob Sommer oder Winter ist, ob die Sonne scheint oder es regnet – man steigt einfach ein und fährt los, man muss sich keine Gedanken machen und verliert damit unbewusst die Vorstellung davon, was man wirklich braucht oder nicht.
Kurz gesagt, daraus sollte klar geworden sein, dass es hier nicht um Leichtbau-Wichserei und Titanfetischismus geht. Das absolute Gewicht ist dabei nicht so interessant, genauso wie die Frage, was man genau dabei hat. Entscheidend ist die Geisteshaltung, sich bewusst zu werden, was man braucht und was nicht. Daraus ergeben sich folgende Kernkonzepte:
Die Gepäckmenge ist immer ein Kompromiss aus eigenem Material und fremder Infrastruktur. Es gibt also keine allgemeingültigen Regeln; die Bedingungen bei einer Wüstendurchquerung unterscheiden sich von denen einer Städtereise. Man muss sich bewusst werden, wann man besser fremde Infrastruktur verwendet, und wann es geschickter ist, selber etwas dabei zu haben. Das Kriterium lautet: In welchem Fall ist es billiger, einfacher, zeitsparender? Man muss nichts mitschleppen, was man unterwegs billig kaufen oder mieten kann; aber man sollte dabei haben, was man ansonsten nur umständlich und unflexibel bekommt.
Für diese Abwägung ist es entscheidend, dass man weiß, was man braucht und was nicht. Das kann man nicht immer rein analytisch feststellen – unterwegs kann vieles passieren, und da hilft dann die Erfahrung, was wahrscheinlich ist und was nicht. Beispielsweise übersieht man sonst, dass man leicht Blasen an den Füßen bekommt, und darum zwei Socken übereinander anziehen sollte.
Aber es hängt nicht nur davon ab, was unterwegs alles passieren kann, was für Bedingungen auftreten können (z.B. Wetter) – sondern man muss genauso seine eigenen Grenzen und die seines Materials kennen. Wenn man weiß, was für Bedürfnisse man hat und wie sehr sich man auf seine Ausrüstung verlassen kann, kann man viel zielgerichteter packen.
Bei aller Optimierung seiner Ausrüstung darf man aber nicht das ursprüngliche Ziel aus den Augen verlieren – was hilft es, wenn man kaum noch was zu schleppen hat, aber dafür nicht mehr das tun kann, was man eigentlich wollte?
Am meisten Gewicht und Stauraum spart man, wenn man auf etwas verzichten kann. Also nicht wie die Wohnwagen-Camper, die einen kompletten Hausrat in faltbarer Ausführung dabei haben – sondern nur die Teile, die man wirklich unbedingt braucht. Und auch nicht wie die Luxus-Trekking-Touristen, die restlos alles aus Titan haben, selbst ein komplettes Topfset – statt nur einen, universellen Topf. Die Outdoor-Geschäfte sind hier verführerisch, weil sie alles im Angebot haben – selbst Dinge, die eigentlich sinnlos sind.
Wenn man etwas mitnimmt, dann sollte es auch leicht sein. Während Sportgeräte oft gewichtsmäßig optimiert sind, gilt das nicht für Alltagsgegenstände; dort kann man bei gleicher Funktionalität oft viel Gewicht und manchmal auch Platz sparen.
Drittes Kriterium ist die Qualität. Wenn etwas gut ist, kann man sich darauf verlassen, und muss kein Reparaturmaterial mitnehmen bzw. insgesamt auf Redundanz verzichten.
Nicht zuletzt kann man auch sparen, indem man Dinge für mehrere Aufgaben verwendet. Das geht besonders gut, wenn das Equipment modular ist; das hilft, Redundanz zu vermeiden.
Hieraus wird klar: Kaufen tut man Einzelteile, und dafür gibt es Spezialgeschäfte. Aber das Gesamtkonzept muss man im Kopf haben; und das kann man in keinem Geschäft kaufen. Man erkauft sich die Effizienz durch mehr Aufwand bei der Auswahl und der Kombination der Dinge; es gibt keine Patentrezepte, man muss wissen, was man will, und bewusste Entscheidungen treffen. Ziemlich genau das Gegenteil der lockeren amerikanischen Art, die häufig darauf basiert, alles eine Nummer größer zu kaufen oder zu bauen, damit es auf jeden Fall passt und reichlich Reserven bietet.
Mit weniger Ballast ist man flexibler und schneller. Und kann damit weitere Ausrüstung sparen. Wenn man beispielsweise nicht zu viel Gepäck auf einer Radtour mitschleppt, ist man schneller bzw. ermüdet langsamer; dadurch kann man z.B. schlechtes Wetter besser abwarten, ihm ausweichen, und trotzdem in der Summe genauso schnell vorwärts kommen. Ein Extrembeispiel dieses Prinzips demonstrierte Reinhold Messner; klassische Besteigungen hoher Gipfel erforderten immer viele Lager, viel Infrastruktur und damit viele Träger, mit einem entsprechenden Aufwand, diese zu koordinieren. Messner dagegen machte manche Touren mit Minimal-Ausrüstung; dadurch war er viel schneller, und konnte viel flexibler auf das unbeständige Wetter reagieren.
Aber es muss nicht immer um Geschwindigkeit gehen. Ein Ultraleicht-Wanderer sagte dazu recht treffend, es gehe ihm gar nicht darum, schneller durch die Gegend zu hetzen, ohne nach links und rechts zu schauen. Im Gegenteil, er sei nicht schneller unterwegs als früher, sondern halte länger durch, komme damit weiter von den ausgetretenen Pfaden weg und sehe dadurch Dinge, die ihm früher entgangen seien.
Und wenn man eine Sache gut machen kann, bleibt weniger Notwendigkeit für etwas anderes. Wenn man beispielsweise lange Zeit radfahren kann, ohne dass die Muskeln schlapp machen, gibt es keine restliche Zeit, die man mit anderen Dingen totschlagen müsste.
Erstens das Konzept: Man muss sich bewusst werden, was man eigentlich machen will. Ohne ein hinreichend scharf umrissenes Ziel kann man nicht darauf hinoptimieren.
Zweitens die Praxis: Es hilft nichts, die Pläne zu detailliert zu machen, wenn sie realitätsfern sind. Daher sollte man sich bald an seine Bedürfnisse herantasten. Man kann nicht beim ersten Mal alles richtig machen; denn die eigenen Anforderungen und Grenzen spielen eine wichtige Rolle, und die muss man erst einmal kennen lernen.
Drittens die Iteration: Ziel muss immer sein, Schwachstellen zu beseitigen. Also Achillesfersen, die durch schlechte oder zu wenig Ausrüstung verursacht werden, beseitigen; und gleichzeitig alles, was man nicht gebraucht hat, weglassen. Ebenso bei den Vorstellungen: Unrealistische Pläne aufgeben, nach neuen Lösungen suchen, und Dinge, die überraschend gut funktionieren, ausbauen.
Viertens Flexibilität: Es geht nicht darum, aus Prinzip geizig bei der Menge seiner Ausrüstung zu sein. Das Ziel ist eher: sparen, wo man kann, so hat man mehr Reserven, um das mitzunehmen, was man wirklich braucht. Das kann vielleicht sogar etwas Luxus sein. Nicht „so kompakt und leicht wie möglich“, sondern „die Aufgabe mit möglichst wenig totem Ballast meistern“. Nichts ist verboten, alles ist erlaubt – außer Gedankenlosigkeit.
Eigentlich hatte ich geplant, hier noch konkrete Tipps zu schreiben. Aber das lasse ich doch sein; erstens gibt es für so etwas entsprechende Bücher, und zweitens gibt es eben genau keine Patentrezepte, sondern jeder muss bewusst seinen Weg finden.