Viel zu viele schöne Tage hat es dieses Jahr schon gegeben; nur hatte ich nie Zeit. Und dann kam eine Regenperiode. Nachdem ich an den letzten Wochenenden jeweils mehr als 400 km auf dem Fahrrad absolviert hatte, war mal wieder Abwechslung angesagt; am Pfingstwochenende sollte endlich mal wieder die Sonne rauskommen, also bleibt mir eigentlich gar nichts anderes übrig, als das Faltboot zu nehmen – wenn nicht jetzt, wann dann?
Und wohin? Die Altmühl wollte ich mal mit Freunden machen, für den Regen braucht man mehrere Tage, und in Südbayern erscheint mir kein Fluss, den ich noch nicht kenne, geeignet. Der Kanu-Wanderführer sagt, man brauche drei Tage für die Strecke von Vilseck bis Kallmünz – ich habe aber nur zwei (am Montag muss ich in die Arbeit), also vielleicht klappt es auch so.
Kurz nach sieben sitze ich im Zug nach Nürnberg; die Wettervorhersage hat Recht, nach tagelangem Regen ist tatsächlich zwischen den Wolken blauer Himmel zu sehen. Ich döse immer wieder ein; in Nürnberg habe ich mehr als eine halbe Stunde Aufenthalt, ich hole mir einen Kaffee und werfe einen Blick in den Handwerkerhof. Mit dem ICE hätte ich eine deutlich bessere Verbindung, aber eben auch deutlich teurer. Dann bringt mich ein Neigezug zur Vils; zuerst schnurgerade entlang der Pegnitz, hinter Hersbruck wechselt der Zug auf die linke Pegnitzseite, und dann geht es kurvig an einigen sehr schönen Dörfern vorbei. Dann kommt eine Weile lang keine Haltestelle mehr, und schließch erreichen wir um halb elf Uhr Vilseck. Dieses Dorf ist etwas verschlafen, weil es am Rand des Truppenübungsplatzes Grafenwöhr liegt – nördlich ist die Welt zu Ende. An der Straßenbrücke finde ich einen idealen Platz zum Aufbau und Einsetzen.
Die Vils erscheint mir ähnlich zur Pegnitz – ähnliche Größe, und diese ist ja auch nicht weit weg. Nach einer Stunde bin ich abfahrbereit; der Fluss hat eine erfreuliche Strömung, die aber bald endet.
... (wird ergänzt)
Dass der Spreewald wunderschön ist, wusste ich bereits von einem Urlaub vor 16 Jahren. Seitdem bin ich nie wieder dorthin gekommen. Aber aus dem Faltboot-Forum weiß ich, dass dort ein großes Faltboot-Treffen stattfindet; das Treffen am Bodensee letztes Jahr hat mir ja sehr gut gefallen, und so beschließe ich, in den Spreewald zu fahren.
Los geht es mit dem Nachtzug am Donnerstag Abend; dieser rumpelt gemächlich durch das Land, so dass ich doch halbwegs schlafen kann, auch wenn die Ruhesessel unbequem sind und ich immer wieder mal aufwache. Als ich dann die Morgendämmerung sehe, ist es mit dem Schlaf vorbei, wir rollen durch eine Seenlandschaft – es ist die Havel bei Potsdam. Beneidenswert, wie viele Wasserflächen es hier gibt, die Leute können quasi neben dem Boot wohnen. Etwas später sind wir dann in Berlin; am Bahnhof Zoo geht gerade die Sonne auf. Eigentlich soll ich am Ostbahnhof umsteigen, tue das aber schon am Hauptbahnhof, weil ich diesen mal sehen will (bei meinem letzten Besuch war er noch im Rohbau). Dieser hat ja den Ruf, ein hässliches Monster zu sein, mehr Einkaufszentrum als Bahnhof, aber das kann ich so gar nicht bestätigen – die Glas- und Stahl-Architektur schafft eine große, lichtdurchflutete Halle mit Blick auf das Regierungsviertel auf der anderen Seite der Spree, und auch die unteren Geschosse sind groß, aber aufgeräumt. Die Kritiker sollten sich mal den Brüsseler Südbahnhof anschauen, der ist ein echt unübersichtliches Einkaufszentrum.
Mit dem Regionalzug geht es dann weiter Richtung Spreewald; da das Wetter gut ist, beschließe ich, gleich bis Cottbus zu fahren und von dort aus auf dem Wasserweg anzureisen. Als wir Berlin hinter uns lassen und durch die eintönige Brandenburger Landschaft rollen, döse ich noch einmal ein; Cottbus ist die Endstation, und dort muss ich erst einmal vom Bahnhof in die Stadt. Mit dem Faltboot im Seesack auf dem Rücken ist das wieder einmal eine große Schlepperei. Nachdem ich den riesigen Bahnhof in einer Fußgängerunterführung gequert habe, komme ich, vorbei am Bahnhofsgebäude der ehemaligen Spreewaldbahn (einer Schmalspurbahn), in eine etwas verschlafene Stadt. Mehr Leben ist allerdings in der Fußgängerzone.
Dort verschwinde ich gleich in der ersten Buchhandlung, um mir eine Kanu-Karte der Spree zu kaufen. Haben sie aber leider nicht da. Unverrichteter Dinge ziehe ich weiter. Die Altstadt ist sehr hübsch renoviert, und eine typische Spreewaldbrücke in der Fußgängerzone zeigt mir, dass ich richtig bin. Ich quere die Altstadt zur Sandower Brücke; daneben ist eine kleine Tribüne am Fluss, wo ich perfekt mein Boot einsetzen kann. Zuerst kaufe ich mir aber nebenan etwas zu essen; es ist schon bald Mittag, und ich hatte seit gestern Abend nichts. Dann laufe ich noch auf die andere Seite zur Spree-Insel; dort erwarten mich ein Park, alte Backsteingebäude und eine Wasserfontäne, aber nicht der erhoffte Bootsclub, wo ich mir eine Karte besorgen könnte. Also muss es ohne gehen. Zurück beim Gepäck baue ich das Boot auf, und bin nach einer Stunde bereit zur Abfahrt; es ist gegen zwölf Uhr mittags.
Die Spree ist zunächst sehr zahm; man spürt keine Strömung, es geht unter Bäumen dahin. An der Stadtgrenze erreiche ich dann schon das erste Wehr mit Mühle. An ein paar zugewucherten Betonstufen im linken Arm kann man aussteigen, und muss dann ein Stück weit umtragen – ich setze auf der anderen Seite der Insel ein, direkt unterhalb vom Wehr.
Ab dann wird die Landschaft offener, Gras statt Bäume am Ufer, und es kommen mehrere Sohlschwellen; ungefähr sieben Stück, von denen die meisten ohne Grundberührung fahrbar sind. Allerdings muss man schon sorgfältig schauen, und sie sorgen dafür, dass die Strömung im restlichen Teil recht schwach ist. Bei Lakoma kommt dann eine längere Sohlschwelle, die man vielleicht, wenn man sie kennt, befahren könnte; ich trage aber lieber um. Dummerweise gibt es keinen Ausstieg; man muss selber schauen, wo man ans Ufer kommt, und dort dann das Boot durch mehrere Meter Brennesseln bringen. Dafür gibt es dort hohes Gras, so dass ich das Boot einfach am Boden schleifen kann bis zur Einsetzstelle, einem kurzen freien steilen Uferstück.
Eine halbe Stunde später, gegen zwei Uhr, muss ich auf Höhe Döbbrick schon wieder umtragen; es ist eine lange Sohlschwelle, mit Schilf links und rechts am Ufer. Da am Rand die Strömung aber schwach ist, kann ich rechts direkt an der Kante zum Ufer fahren und umtragen, wobei mich die Angler gegenüber beobachten. Einsetzen kann man direkt unterhalb an einer Sandbank.
Kurz hinter Döbbrick ist dann die Spree scheinbar zu Ende; eine Damm mit einer Straße quert den Fluss, der durch mehre Rohre durchgeleitet wird. Weil der Damm neu zu sein scheint (kein Bewuchs) ist das Aussteigen leicht, aber beim Einsetzen geht es recht steil runter. Danach kommt ein Abschnitt, der anscheinend gerade renaturiert wird; an der Straße steht ein Bagger, und dahinter neu gestaltetes Ufer. Nicht viel später, auf Höhe Maiberg, kommt das Gleiche noch einmal; nur dass die Rohre diesmal alle unter Wasser sind (nur ein paar Strudel deuten darauf hin, wohin das Wasser verschwindet). Ich kann über den Rohren anlegen, und gegenüber ein Brett über den Rohren als Steg zum Einsetzen verwenden. Direkt danach kommt eine mehrstufige Sohlschwelle, unfahrbar, aber auf der rechten Seite gibt es eine Bootsrutsche. Ansonsten müsste man recht weit umtragen. Inzwischen ist es kurz nach drei Uhr.
Ab hier ändert sich der Charakter der Landschaft wiederum, es kommt ein Schilfgebiet. Immer wieder Inseln, wo man links oder rechts fahren kann. Nur einmal gerate ich in einen kleineren Seitenarm, der dann bald zu flach ist; aber nach ein paar Metern auf dem Sand dahinrutschen zweigt eine Verbindung zurück zum Hauptarm ab. In diesem Schilfgebiet kommen noch einmal zwei Sohlschwellen, beide fahrbar – aber etwas trickreich, weil man sie wegen dem Schilf erstens sehr spät sieht und hört, zweitens nirgendwo ans Ufer kommt, und drittens die Durchfahrt nur schmal ist. Das eine Mal sogar wie durch einen Schilfvorhang durch. Langsam habe ich genug; die Sonne ist hinter Wolken verschwunden, alles grau in grau, immer noch kein Spreewald, und ich bin langsam erschöpft.
Hinter Höhe Striesow ist das Schilf dann zu Ende, und ich bin froh, dass laut meinem GPS jetzt der Nordumfluter kommt – also müsste ich endlich im Spreewald sein; es ist 17 Uhr. Richtungsmäßig muss ich mich links halten, also weiter auf der Spree (die nicht in den Garmin-GPS-Karten drin ist); leider sieht nix nach Spreewald aus, sondern immer noch wie ein öder Fluss im Nirgendwo. Irgendwann kam dann endlich Burg, wo der Spreewald richtig anfängt. Dort noch einmal umtragen; das schwere Boot auf die andere Straßenseite und dort in den Kahnhafen wuchten. Zum Glück hängt dort eine Karte, die ich abfotografiere, so dass ich weiß, wo ich für den Endanflug hinfahren muss (in meinem GPS sind ja die ganzen Fließe nicht drin). Es zieht sich, noch ein letztes Mal umtragen an der Schleuse, und dann erreiche ich endlich bei Sonnenuntergang den Campingplatz. Wahnsinn, der ist ganz schön voll – in der Abenddämmerung steigt auf der Wiese auf der anderen Seite des Ostgrabens schon zauberhaft der Nebel auf, während ich schnell mein Zelt aufbaue. Dann melde ich mich an, koche mir eine Packung Nudelsuppe auf dem Gaskocher, und falle dann ziemlich schnell todmüde ins Bett.
Der Morgen wird unmissverständlich von Dundaks lautstark gebrüllten „demokratischen Weckdienst“ angekündigt. Ich stehe auf, hole mir meine reservierten Brötchen ab, und fotografiere dann die Morgenstimmung. Dann taucht auch schon das Fernsehteam der DDR-Kultsendung „Außenseiter Spitzenreiter“ auf und spürt historischen Faltbooten nach. Nachdem sie die Organisatoren interviewt haben, mache ich mich bereit zur Abfahrt – keine Ahnung, wohin es heute gehen soll, ich werde mich einfach an eine Gruppe dranhängen. Als sich eine auf den Weg macht, werfe ich mein Boot ins Wasser (was im Fernsehbeitrag recht gut zu sehen ist) und fahre ihnen nach. Wie ich erfahre, soll es in den Hochwald gehen – kein Problem, ich bin dabei.
Wir fahren den Ostgraben nach Norden, und dann weiter über die Neue Spree, den Burg-Lübbener Kanal und den Weidengraben ins Große Fließ. Dort erwartet uns die erste Schleuse; da wir eine Gruppe sind, lohnt sich das Schleusen (alleine ist es witzlos, weil man sowieso aussteigen muss, da kann man gleich umtragen). Oder man fährt gleich über die Wehrkante ins nur wenig tiefere Unterwasser, wenn man ein Plastikboot hat. Kurz danach, beim Waldhotel Eiche, machen wir dann eine Pause und essen was. Ich kenne zwar noch niemanden, aber es war wie am Bodensee, alles sehr nette Leute.
Danach wollen wir über das Nordfließ durch den Hochwald fahren – entweder eine kleine Runde über den Peterkanal oder eine größere über das Ditmarfließ, und uns dann in der Polenzschänke zum Kaffee treffen. Allerdings sind wir so schnell am Peterkanal, dass ich noch nicht umdrehen will, und wir fahren zu viert die große Runde – allerdings nicht das Große Fließ zurück, sondern weiter nach Süden nach Wotschofska. Dort kehren wir ein; der riesige Garten ist fast verwaist, der Herbst hat schon richtig Einzug gehalten, viele Blätter liegen schon am Boden, und immer wieder schlagen Eicheln neben und auf den Tischen ein. Wir trinken was, unterhalten uns, und machen uns dann wieder auf den Weg. Hier im Schatten wird es schon recht kühl.
Über das Eschenfließ kommen wir nach Leipe, wo uns endlich wieder die Abendsonne erreicht. Von dort aus geht es über die Neue Spree heimwärts. Ich bin schon irritiert von den Warnschildern („auf eigene Gefahr“) und vermute schon die Äste im Wasser als Grund; aber als solcher stellt sich hinter einer Kurve ein Wehr heraus, ohne Schleuse. Wir müssen lediglich umtragen. Dann gibt es nur noch eine weitere Schleuse, und wir erreichen gegen halb sieben Uhr abends wieder den Campingplatz – genau rechtzeitig zum Abendessen.
Dieses ist nämlich ein Highlight: Normi heiratet am nächsten Tag, und spendiert daher ein großes Buffet. Und das ist wirklich gut. Ich würde am liebsten gar nicht mehr aufhören, so lecker ist es. Und mit Herbie unterhalte ich mich über Faltrad und Faltboot – er wird ein paar Tage später zur Brompton-Faltradmeisterschaft nach Blenheim Palace in England fahren. Leider halten wir es nicht allzu lange aus, weil es abends sehr schnell schweinekalt wird; der Schlafsack ruft.
Am Sonntag macht sich noch keine so richtige Aufbruchstimmung breit (weder auf eine Paddeltour noch nach Hause), so dass ich alleine losziehe – nachdem ich gefrühstückt habe, denn vom gestrigen Buffet war noch reichlich übrig. Ich fahre über Wildbahn und Stilles Fließ in den Rohrkanal, und diesen in der Morgensonne immer nach Westen. Hier ist es total einsam. Es gab auch hier wieder ein kleines Wehr, allerdings ist die Fallhöhe praktisch null, so dass ich direkt drüberfahren konnte. Danach geht es über Bürgerfließ Wehrfließ, Bürgerfließ (Wehr, umtragen) und die Kleine Kossa (hier gibt es ein Wehr mit Rollbahn, wo man das Boot über Rollen auf die andere Seite ziehen kann) nach Lübbenau; dort lege ich bei der Brücke am Mühlenwehr an und erkunde den Ort zu Fuß. Auf der einen Seite befindet sich das Zentrum mit Marktplatz und Kirche, auf der anderen Seite der Schlosspark mit den Spreehäfen – von hier aus starten die Kahnfahrten, es gibt unzählige Verkäufer, die Gurken und Leinöl anpreisen, und auch etliche Touristen.
Dann soll es nach Lehde gehen. Die ersten beiden Abzweigungen sind leider gesperrt, und beim Hechtgraben gibt es einen Stau. Was ist hier los? Ich erfahre etwas von einem Festumzug, und dass die Wasserschutzpolizei die Strecke bald freigibt. Tatsächlich; und ich folge den wartenden Kähnen nach Lehde, bzw. überhole sie, weil ich viel wendiger und schneller bin und problemlos vorbei komme. Auf den Brücken kündigen dann Transparente an: heute ist das Lehde-Fest, anscheinend ein absolutes Highlight, und ich mittendrin. Kähne stauen sich, so dass man trockenen Fußes das Wasser überqueren könnte, und am Ufer unglaubliche Menschenmassen. Hinter der drei-Richtungs-Brücke am Spreewaldmuseum ist ein Hafen für Paddelboote; dort lege ich an und bestaune das Spektakel. Die Umzugskähne stellen sich gerade neu auf, es ist wirklich unglaublich: Leute in sorbischer Tracht, jeder Berufsstand hat einen Kahn, die Bierbrauer haben einen Braukessel und Hopfen, die Bauern einen Doppelkahn mit Heu und auch einen Doppelkahn, auf den sie einen Traktor gestellt haben, die Feuerwehr, die Müllabfuhr ... und alles wird per Hand durch die engen Kanäle gestakt.
Ich fotografiere endlos, muss mich dann aber zügig auf den Weg machen, weil ja noch die Rückfahrt ansteht. Über den Hechtgraben auf die Hauptspree, vorbei an Leipe. Dann erwartet mich eine Schleuse, mit Kindern, die mich schleusen wollen – „Die Schleuse geht hoch, die Schleuse geht runter, gibst du kein Kleingeld, dann gehst du unter!“. Ok, gerne. Dann geht es weiter über das Staudenfließ und Stauensfließ; von den Bäumen hängen Spinnenfäden herab und viele Blätter treiben auf dem Wasser, es ist wirklich Herbst. Dann bin ich zurück am Ostgraben. Als ich ankomme, fragt mich Bernd, der Campingplatz-Besitzer, ob ich Lust auf eine Kahnfahrt hätte. Klar, gerne! Der Campingplatz ist schon ziemlich leer, und für die verbliebenen Paddler spendiert er eine Kahnfahrt mit Freibier in die Dämmerung. Zwar nur eine kleine Runde, aber wir sind eine Stunde unterwegs, ganz langsam und geräuschlos durch die Dunkelheit – wunderschön, ein unerwartetes Erlebnis! Danach sitzen wir noch lange am Lagerfeuer zusammen (weil die meisten Leute schon abgereist sind, ist heute mehr Platz am Feuer, außerdem hat es sich bewölkt, es ist nicht mehr so schweinekalt wie gestern).
Am nächsten Tag will ich eigentlich nach Lübben, aber Anke hat mir davon abgeraten – die Strecke sei weit und recht langweilig. Lieber nach Raddusch. Also habe ich noch Zeit, mir Burg noch einmal anzuschauen (bin ja bei der Anreise nur durchgehetzt). Aber es lohnt sich nicht. Es hat zugezogen, nach einem schönen Sonnenaufgang ist das Wetter jetzt grau in grau, und Burg ist nicht so hübsch wie die anderen Spreewald-Orte, höchstens rund um den Hafen ganz nett. Zurück am Boot mache ich mich gleich wieder auf den Weg, zurück nach Westen, und dann über Scheidungsfließ (mit einer interessanten Schleuse mit Hubtoren – die kann man schon öffnen, wenn der Wasserstand noch nicht ausgeglichen ist, und somit schwungvoll den Kanal durchspülen) und Ostgraben über eine weitere Schleuse in den Südumfluter. Dann zweige ich links ab in die Radduscher Kahnfahrt und folge ihr bis zum gleichnamigen Ort am Ende. Dort komme ich kurz nach zwei an, fotografiere etwas, und baue dann mein Boot ab – beobachtet von einem einsamen Kahnbesitzer, der vergebens auf Kundschaft wartet. Eigentlich wollte ich hier im Ort noch essen gehen, aber Raddusch ist ein so verschlafenes Nest, hier hat nichts offen. Also muss ich mein Gepäck zum Bahnhof schleppen, wo mich der Regionalexpress nach Berlin abholt.
Schon am späten Nachmittag bin ich dann in Berlin, und muss noch die Zeit bis zum Abend totschlagen. So bringe ich mein Boot zur Gepäckaufgewahrung, und besuche dann meinen Freund, den Faltrad-Direktor, der mich dann noch zu seinem Fahrrad-Stammtisch mitschleift. Von dort muss ich dann aber gegen neun Uhr abhauen, weil mein Nachtzug ruft. Noch ein paar Fotos vom Hauptbahnhof, diesmal bei Nacht, Boot abholen, und ich sitze im Zug nach München, wo ich am nächsten Tag gleich in die Arbeit gehen kann.
Eigentlich wollte ich ja auf die Wiesent, die ich dieses Jahr in einem tollen Brevet kennen gelernt habe. Aber dann habe ich gelesen, dass die scharfen Steine nichts für Faltboote sind, sondern eher für Tupperschüsseln. Nachdem sich in diesem verregneten Sommer ein schöner Tag abzeichnete, musste schnell ein passender Ersatzfluss gefunden werden, und ich entschied mich für die Pegnitz – die bisher gar nicht auf meinem Radar gewesen war.
Kurz vor sechs Uhr, als es gerade hell geworden ist, verlasse ich das Haus, und nehme die U-Bahn zum Hauptbahnhof. Dort geht es um 6:20 mit dem ICE nach Nürnberg; die Sonne geht gerade auf, und der Dunst aus den Wiesen lässt die entfernten Bäume im Morgenlicht zu goldgrauen Silhouetten werden. Ab Nürnberg geht es weiter mit einem Bummelzug – dieser entpuppt sich aber als sehr rasanter Neigezug, der nur mit einem Zwischenhalt ins Pegnitztal kachelt.
Knappe zwei Stunden nach der Abfahrt bin ich in Neuhaus an der Pegnitz; vom Bahnhof aus geht es nach links entlang der Bahn, und dann weiter auf dem Fuß- und Radweg bis unter die Eisenbahnbrücke; keine 300 m. Dort baue ich das Boot auf – muss aber zuerst noch die Morgenstimmung fotografieren. Hier ist alles nass, es hat wohl erst kürzlich geregnet, und auf dem bräunlichen, langsam dahinströmendem Wasser steigt Nebel auf.
Gegen Viertel nach neun steht dann das Boot, und ich fahre los. Die Strömung ist fast null, der Fluss ist komplett von Bäumen überwachsen, Äste liegen im Wasser – bin ich hier im Dschungel? Es geht gemütlich dahin, ich genieße die Stimmung. Ob ich die Strecke so schaffen kann, weiß ich nicht – es sind rund 26 km, aber mit etlichen Wehren, und anscheinend wenig Strömung. Die meisten fahren von Velden bis Hohenstadt; ich bin schon ab Neuhaus gestartet, weil ab dort der Wasserstand ganzjährig ausreicht. Von hier bis Hohenstadt durchquert die Pegnitz die Hersbrucker Alb in einem tief eingeschnittenen Tal – das verspricht die interessanteste Landschaft.
Schon kurz nach dem Start muss ich schon das erste Baumhindernis überqueren; der Stamm liegt aber teils leicht unter Wasser, so dass ich drüberrutschen kann, ohne auszusteigen. Schon bald danach kommt das erste Wehr – ich steige aus und trage um, durch Brennesseln zwischen den Bäumen. Dann sehe ich: das Wehr am vorher abzweigenden Pegnitzarm ist das, das als eventuell befahrbar im Kanuführer markiert ist, aber die mittlere Rinne ist sehr steil – lieber umtragen und darunter einsetzen. Unmittelbar danach folgt eine weitere Schwelle, die als befahrbar markiert ist, und das auch ist.
Dann kommt man langsam aus dem Wald heraus, nach Engenthal, und dort wartet gleich das nächste Wehr. Rechts raus, und erst einmal schauen, wo umtragen. Der rechte Arm hat ein zu steiles Ufer; ich quere den Steg, und dann kommt ein dritter Flussarm, mit einem unterschlächtigen Wasserrad. Romantisch! Dort setze ich ein, und weiter geht es.
Bald wird die Pegnitz breit und langsam, und in der Kurve kommt ein weiteres, sehr breites Wehr; es ist keine hohe Stufe, sondern schräg und mit einer Fischtreppe, aber voller Steinblöcke, also unbefahrbar. Man muss rechts über die Wiese umtragen, neben der Straße – auf der anderen Seite ist ein Betonwerk.
Kurz danach bin ich schon in Velden. Links auf dem Berg erhebt sich ein Felsen, und links und rechts reichen Häuser und Gärten bis ans Wasser. Links steht ein Pavillon auf einer Säule im Fluss, dann die Brücke, und schon kommt das nächste Wehr in Sichtweite – vor einem schmucken Fachwerkhaus. Entweder rechts umtragen, oder gleich an der Wehrmauer anlanden, das Boot einen Meter runterheben, und weiterfahren; so schnell habe ich noch nie umgetragen.
In der folgenden Kurve sieht der Fluss am ehesten nach fränkischer Schweiz aus: eine breite Felswand erstreckt sich am Ufer, mit Bänken unter dem Überhang. Wieder ein paar hundert Meter weiter das nächste Wehr, an einer Fabrik; das Aussteigen rechts ist leicht, aber das Boot am Ufer entlang über einen umgestürzten Baum und dann zwei Meter nach unten zu tragen ist anspruchsvoll. Dahinter verengt sich das Tal immer weiter; auf der Straßenbrücke ragt eine Statue eines Hirschen in den Himmel, und gegenüber stürzt ein rauschender Wasserfall in die Pegnitz. Wer hätte das gedacht!
An der nächsten Kurve ist der nächste Ort, Lungsdorf; hier ist der Fluss teilweise recht verkrautet, aber gut befahrbar. Dann geht es weiter gemütlich dahin, bis man in Rupprechtstegen wieder umtragen muss. Ganz in der Nähe ist der Bahnhof; nicht weit steht ein Auto mit Leihbooten auf dem Anhänger, denn hier ist ein beliebter Startpunkt. Der Ausstieg ist einfach, man muss 50 m umtragen, unter den Bäumen sind Stufen zum Einsetzen.
Ich esse ein Brot, dann fahre ich weiter. Ich hatte beim Umtragen ein anderes Boot abfahren sehen; nach gut zwei Kilometern habe ich sie dann wieder eingeholt, kurz vor der nächsen Portage. Hier ist schon eine Gruppe Leihbootfahrer mit dem Umtragen beschäftigt; sie stöhnen, als sie ihre Zweier-Kanadier schleppen, und sind sich nicht sicher, wo sie einsetzen müssen. Ich packe mein Leichtboot, ziehe an ihnen vorbei, setze gleich bei der ersten Möglichkeit ein (ist dort noch etwas seicht, aber halbwegs fahrbar) und bin auf und davon.
Die folgenden Kilometer sind wieder recht gemütlich; sie führen relativ direkt dahin, mit nur wenigen Bäumen am Ufer. Dann kommt Artelhofen mit dem nächsten Wehr. Hier muss man knapp 100 m weit umtragen, allerdings sind Aussetz- und Einsetzstelle sehr nett gemacht, und dazwischen gäbe es einen Picknickplatz, den ich links liegen lasse.
Eineinhalb Kilometer weiter kommt am Ortsanfang von Vorra ein weiteres Wehr; der Weg ist hier besonders kurz, nur einige Meter weiter kann man einsetzen, direkt unterhalb der schrägen Wehrkrone. Und weiter. Die Pegnitz ist hier wieder offener, und es kommt lange keine Brücke – bei Neuhaus hat man fast alle paar Meter die Bahnlinie gequert.
Nach ein paar Kilometern komme ich nach Alfalter, wo am Ortseingang das nächste Wehr ist; aber man muss nicht sehr weit umtragen, kann direkt unterhalb des Wehrs einsetzen, wo es dann unter Bäumen weitergeht. Eigentlich liege ich ziemlich gut in der Zeit, fällt mir auf – am Anfang ging es zäh dahin, aber die Wehre kosten weniger Zeit als gedacht, sie kommen immer seltener, und die Strömung wird schneller. Habe gar nicht mitbekommen, dass ich schon an Düsselbach vorbei bin.
Dann taucht Eschenbach auf, mit einer Aussteigestelle. Hier kommt wieder ein Wehr, gell? Ich steige aus, aber weit und breit kein Wehr zu sehen, obwohl das Wasser schneller wird. Es gibt auch wirklich keines, bis Hersbruck. Na gut, dann fahre ich weiter. Das folgende Stück wird dabei durchaus anspruchsvoll, wegen der flotten Strömung und der vielen Äste, die ins Wasser hängen; wegen der Mäander muss man andauernd steuern, und dabei sowohl der Strömung folgen, als auch Ästen ausweichen. Aber oft genug geht es nur noch mit „Augen zu und durch“.
Aber entsprechend schnell geht es vorwärts. Bald bin ich an der Ausstiegsstelle in Hohenstadt, wo einige Jugendliche gerade die Fahrt beendet haben; dort ist auch ein idyllisch gelegener Campingplatz. Und kurz darauf erreiche ich die Eisenbahnbrücke, die linke und rechte Pegnitzstrecke verbindet. Bis Hersbruck ist es dann nicht mehr weit; aber die vielen Mäander mit vielen Hindernissen lassen die Sache stressig und anspruchsvoll werden. Interessanterweise geht es hier durch eine recht kahle Wiesenlandschaft; allerdings sind die Flussufer derart dicht mit Bäumen bewachsen, dass man sich vorkommt, als durchquere man den Amazonas. Die Schleifen werden immer dichter; einmal stelle ich erstaunt fest, dass ich nur ca. 10 m neben der vorigen Strecke vorbeifahre, aber seitdem knapp 200 m weit gefahren bin.
Dann weicht der Bewuchs plötzlich einer gepflegten Grünfläche – die Pegnitz durchquert in zwei Mäandern die Liegewiesen des Hersbrucker Schwimmbades. Hier soll man vorsichtig sein, weil hier schon Boote gekentert wurden; aber ich fahre unbehelligt durch.
Dann verzweigt sich der Fluss; laut GPS und Führer scheint beides möglich, ich nehme den nördlichen Arm. Dort geht es geradeaus dahin, nicht mehr durch Bäume, sondern zwischen Gärten und Häusern. Aber alles sieht nach „Rückseite“ aus, keine Ausstiegsstelle, nur Schilder wie „Betreten verboten“. Irgendwann soll eine sehr niedrige Brücke kommen, wo der Ausstieg ist; plötzlich wird das Wasser schneller – ein Wehr? Aber keine Ausstiegsstelle in Sicht. Und das Wehr entpuppt sich als außer Betrieb, es gibt noch Mauern, aber keine Schotten dazwischen – das Wasser fließt in einer sanften Welle durch. Absolut fahrbar; so ist das wohl gedacht, gerade weil die folgende Brücke auch nur durchschnittlich hoch ist. Ich fahre in der Mitte; aber der Sog zieht mich nach rechts, so dass ich auf den rechten Durchlass zusteuere. Allerdings bin ich zu schnell und kann die Drehung des Boots, dessen Heck noch in die Mitte zeigt, nicht korrigieren – und pralle an die Mauer zwischen dem mittleren und dem rechten Durchlass. Verdammt, dann muss ich das Boot unter Reibung durchwürgen? Aber es kommt ganz anders, viel schlimmer: Ich bleibe quer an der Mauer hängen, das Boot kippt zur Seite, ich liege im Wasser, und binnen Sekunden biegt das Wasser das Boot im 180°-Winkel um die Wehrmauer. Es quietscht, als das Gestänge unter dem Wasserdruck kollabiert.
Das Boot ist also hin. Direkt am Ende der Tour. Aber wenigstens ist mir nichts passiert; ich kann problemlos aussteigen, und auch im Wasser stehen, ohne von der reißenden Strömung fortgerissen zu werden, da das Wasser keinen halben Meter tief ist. Jetzt also das Boot rausziehen, beziehungsweise was davon geblieben ist. Aber das ist gar nicht leicht; das Wasser presst es derart gewaltig an die Mauer, dass es sich selbst bei größter Kraftanstrengung keinen Millimeter rührt. Ich ziehe Schwimmweste und Sonnenbrille aus, lege sie auf die Brücke daneben, und fange an, das Boot zu zerlegen. Nach und nach gelingt es mir, einzelne Teile zu bergen; nach dem Auslassen der Luftschläuche kann ich auch das Gestänge zerlegen, und die Packsäcke, die zum Glück daran angebunden waren, sind noch vorhanden und dicht. Auch das wasserdichte GPS ist noch da; und nachdem die Spanten teilweise geborgen sind, gelingt es mir, die Bootshaut mit viel Kraft aus der Strömung zu ziehen.
Was nun? Ich befinde mich in einen abgesperrten Garten. Ich rufe einem älteren Herrn im Haus gegenüber zu; er kommt und sperrt mir auf. Dann kommt der Besitzer der Brücke und schimpft mich aus, was mir einfiele, er arbeite gerade hier. Ich mache ihm klar, dass das ein Unfall sei und ich nicht mit Absicht mein Zeug auf seine Brücke gelegt und sein Werkzeug durcheinander gebracht habe. Er beruhigt sich. Dann kommt ein weiterer Herr, der mir mein Paddel bringt – das ist natürlich davongetrieben, ich hatte es schon abgeschrieben. In der folgenden guten halben Stunde zerlege ich die Reste vom Boot und ziehe auch die vollkommen verbogenen Stangen aus der Haut (nachdem ich sie halbwegs geradegebogen habe). Die beiden Dollboards sind somit wohl ein Totalschaden (das Aluminium ermüdet beim Zurückbiegen), ebenso die Kielstange; und einige Spanten sind verschwunden, vermutlich beim Zerlegen unter Wasser davongeschwommen. Aber meine sonstige Ausrüstung ist intakt – Glück im Unglück, und es war ansonsten ein wirklich schöner Paddeltag. Ich mache mich auf den Heimweg; in Hersbruck esse ich noch ein Eis, dann geht es zum Bahnhof, wo mich gegen sechs ein Zug nach Nürnberg bringt, und gegen neun bin ich in München.
Fazit: Die Pegnitz ist ein sehr interessanter, weil abwechslungsreicher Fluss; von der Landschaft bekommt man aber nicht sehr viel mit, weil der Flusslauf fast komplett mit Bäumen zugewachsen ist. Wegen ihrer stellenweise vergleichsweise schnellen Strömung bei gleichzeitiger Kleinräumigkeit und vielen Hindernissen ist die Pegnitz recht anspruchsvoll, aber nicht gefährlich. Bis auf das Ende in Hersbruck; das liegt aber daran, dass erstens ich dieses Wehr falsch eingeschätzt habe, zweitens keine Flussbeschreibung, die ich gesehen habe (incl. DKV-Führer), darauf wirklich klar hinweist, und drittens kein Schild darauf hinweist, nicht den nördlichen Flussarm zu nehmen oder rechtzeitig auszusteigen – im Gegenteil, die Schilder verbieten nur das Aussteigen.
Auf der Salzach wollte ich schon länger mal fahren. Allein, weil sie von München aus mit der Bahn gut erreichbar ist und auf großer Länge befahrbar ist. Als Endpunkte bieten sich Freilassing und Burghausen an; das ist aber schon eine Entfernung von 50 km, also erfahrungsgemäß zu viel für eine Tagestour. Für zwei Tage allerdings zu wenig; da könnte man schon in Bad Reichenhall starten (auf der Saalach), denke ich, oder von Salzburg aus. Aber eine Recherche ergibt: Ab Reichenhall fährt fast niemand, denn in Freilassing gibt es ein fettes Wehr; ab Salzburg gibt es einige schwierige Stellen; und von Freilassing aus ist es anscheinend doch in einem Tag zu schaffen.
Kurz vor sechs Uhr morgens verlasse ich das Haus; es ist noch dunkel und kühl, in kurzer Hose und Sandalen fühle ich mich deplaziert, in der U-Bahn haben die Leute dicke Jacken an. Als ich um halb sieben im Zug sitze, geht gerade die Sonne auf; außerhalb der Stadt ist Nebel auf den Wiesen, Rosenheim ist komplett im Nebel, und der Blick auf Bergen und Teisendorf ist grandios, mit verschneiten Bergen im Hintergrund. In Traunstein sehe ich sogar einen Skifahrer am Bahnhof. Um halb neun bin ich in Freilassing; unter den Gleisen durch, dann parallel zu ihnen bis zum Zollhäusl an der Saalach, und vorbei am Wehr mit Fischtreppe bis zur Einsetzstelle. Gegen neun Uhr bin ich da. Während ich aufbaue, sind über mir die ersten Flieger im Landeanflug auf Salzburg.
Um zehn Uhr bin ich dann endlich unterwegs; die Strömung ist schon sehr flott, und leichtes Wildwasser fordert die Konzentration – gut, dass ich diesmal mit Schwimmweste unterwegs bin (eine Rettungsweste, bei der ich die Automatik deaktiviert habe). Aber bald schon bin ich an der Mündung in die Salzach, und ab dort ist das Wasser sehr viel ruhiger. Es strömt zwar immer noch sehr zügig, aber es gibt fast keine Wellen, und auf dem sehr breiten Fluss kommt man sich vor wie ein Radfahrer auf der Autobahn. Allerdings dreht mich das Prallwasser immer wieder zur Seite; ich hätte wohl doch den Skeg montieren sollen. Wegen der Strömung hatte ich gedacht, dass Wendigkeit wichtiger ist, allerdings muss man auf diesem breiten Fluss nicht wendig sein, Platz ist genug.
Der Fluss ist im Folgenden recht eintönig – trübes Wasser, breit, hohe Uferböschungen, mit groben Steinen befestigt. Nirgendwo könnte man anlegen. Aber abgesehen von Bäumen sieht man auch nichts, und es gibt kaum eine Biegung, nur wegen der flotten Strömung kommt man sich nicht verloren im Nirgendwo vor.
Nach einer Dreiviertelstunde taucht in der Ferne über den Bäumen ein rotes Dach auf. Ich komme näher; es ist die Kirche von Laufen, die mitten im Ort über der Flussschleife thront. Das ging aber schnell! Laufen ist eine sehr schöne Stadt, mit malerischen, engen Gassen, und einer Brücke hinüber nach Oberndorf in Österreich, wo in einer Kapelle „Stille Nacht“ komponiert wurde. Aber vom Fluss aus macht die Stadt nicht ganz so viel her; das Wasser rauscht und schlägt Wellen, ich muss mich auf das Steuern konzentrieren, und die hohen Uferböschungen verhindern, dass man viel zu sehen bekommt.
Nach Laufen kommen noch ein paar weitere Kurven, umrahmt von Steilhängen; das macht die Landschaft interessanter als vorher im Flachland. Dann wird es wieder eintöniger, zeitweise lasse ich mich treiben und esse was, und gegen 13 Uhr bin ich dann in Tittmoning. Weil ich derart schnell vorwärts komme, überlege ich bereits, ob Burghausen wirklich schon das Ende sein soll – ich habe Zeit bis zum Abend, aber werde schon nachmittags ankommen. Bis zur Mündung in den Inn sind es nur noch weitere 10 km, allerdings dort dann noch einmal so viel bis Simbach, bei schwächerer Strömung.
Ich entscheide mich, anzulegen, und mir Tittmoning anzuschauen. Am Ufer liegen zwei Plätten; auf so einer bin ich vor 22 Jahren einmal gefahren, „Ferienendspurt“ hieß dieser Ausflug für Schüler am Ende der Sommerferien.
Tittmoning ist sehr hübsch. Hinter dem Deich kommt man zuerst zur Wasservorstadt; dann geht die Straße steil hinauf, die eigentliche Stadt liegt deutlich oberhalb der Salzach. Durch ein Stadttor, das den Georgiritt in einer Woche ankündigt, kommt man auf den Stadtplatz mit wunderschönen Fassaden im Inn-Salzach-Stil und altem Katzenkopfpflaster. Nach etwas Herumschauen setze ich mich in eine Wirtschaft und bestelle mir ein Radler. Ein Einheimischer am Nachbartisch spricht mich an und erzählt mir Einiges über den Ort.
Dann wird es mir in der prallen Sonne zu heiß, und ich mache mich wieder auf den Weg. Noch einmal schnell zur Burg hochschauen; diese ist auch sehr beeindruckend, mit hohen grauen Mauern, einem tiefen Burggraben, und einer tollen Aussicht über die Stadt und das Salzachtal. Unterhalb befindet sich die Mühlenstraße; dort tritt ein Bach aus der Wiese aus und wird über ein Gerinne in den ersten Stock des nächsten Hauses geleitet. Von dort fließt es weiter zu den tiefer gelegenen Nachbarhäusern, wo es weitere Mühlen antreibt. Faszinierend.
Anschließend mache ich mich auf den Weg zum Boot, und fahre weiter. Bis Burghausen ist es nicht mehr weit; jetzt wird die Salzach wieder kurvig, und umrahmt von Steilhängen. Und Wind kommt auf; heftige Gegenwindböen bremsen mich deutlich aus (wobei man mit der Strömung immer noch gut vorwärts kommt). Immer wieder finden sich vereinzelte Häuser am Ufer; und diverse Radfahrer und dann auch Fußgänger zeigen an, dass Burghausen nicht weit ist; und tatsächlich taucht dann die Burg für kurze Zeit über den Bäumen auf. Das letzte Stück lasse ich mich treiben, genieße das Panorama der Stadt, und lege schließlich gegen 16 Uhr hinter der nördlichen Brücke an.
Nach einer halben Stunde ist das Boot abgebaut; ich laufe in die Stadt und ziehe mir noch einen Eisbecher rein. Dann, kurz nach fünf, laufe ich los Richtung Bahnhof. Der Zug geht um Viertel vor sechs, und ich komme komfortable 10 Minuten vorher an. Geschafft!
Die Wettervorhersage für das Wochenende ist gut, und es gilt die Kombination aus Faltboot und Faltrad zu testen – gute Gründe, um zum Faltboottreffen, das ich aus dem Forum faltboot.de kenne, zu fahren. Die Bahn hat auch noch günstige Tickets im Angebot, also buche ich mir eine Fahrt, Samstag früh hin, Sonntag abends zurück.
Mit dem Boot und Camping-Ausrüstung auf dem Rücken in meinem neuen Ortlieb-Rucksack radele ich zum Hauptbahnhof; das Paket ist schon recht schwer. Ich packe das Tikit, mein Faltrad, zusammen und mache es mir im ICE gemütlich. Der Zug ist ziemlich leer, daher gibt es genug Platz für mein Gepäck.
Der Zug sollte um 6:25 Uhr fahren, dann wäre ich um 9:45 Uhr in Radolfzell. Allerdings kommt die Ansage, dass es ein Problem in Mering gibt und wir umgeleitet werden. Zuerst sammeln wir noch 20 Minuten Verspätung auf, dann geht es los. Der Morgennebel hängt über den Wiesen, in der Ferne steht St. Ottilien, dann sind wir in Geltendorf. Nochmal warten. Dann über die eingleisige Strecke nach Norden, vorbei an Kaltenberg (zu den Ritterspielen via ICE?) Richtung Augsburg. Fast eine Stunde zu spät kommen wir dort an. Hätten die was gesagt, hätte ich in den TGV steigen können, der wenige Minuten früher gefahren ist.
Entsprechend verspätet komme ich in Ulm an; der IRE nach Basel fährt nur alle zwei Stunden, mich erwartet jetzt ein Doppelstockzug nach Lindau. Aus Stuttgart kommend, ist er randvoll mit Ausflüglern; ich schaffe es aber, den Sack mit Faltboot neben der Abteiltür zu platzieren und das Tikit draufzustapeln, befestigt per Spannriemen an eine Stange. Leute mit normalen Fahrrädern haben weniger Glück und müssen draußen bleiben.
In Friedrichshafen muss ich umsteigen; in einen schnarchlangsamen Regionalzug, der an jedem Misthaufen hält. Aber ab Salem wird es flotter; und die Strecke geht dann am See entlang, was einen schönen Ausblick bietet. Zwei Stunden zu spät komme ich in Radolfzell an, schwinge mich aufs Rad und radle am See entlang nach Iznang. Trotz des schweren Pakets am Rücken überhole ich etliche „Torkelradler“.
Auf dem Gelände des Kanuclubs Singen empfängt mich Werner und weist mir einen Zeltplatz zu. Für eine Tour ist es wohl schon zu spät, also baue ich erst einmal Zelt und Boot auf. Und schon kommen interessierte Faltbootfahrer, die mein Tikit erspäht haben.
Dann fragt mich Karin, meine Zeltnachbarin, ob ich Lust hätte, mit ihnen zur Insel Reichenau zu paddeln. Gerne! Sie und ihr Mann Christian haben einen Zweisitzer von Klepper; gemeinsam machen wir uns auf den Weg und legen nach rund einer Stunde in Niederzell an. Die dortige Kirche gehört zum UNESCO-Weltkulturerbe, genauso wie die Klosteranlage in der Mitte der Insel, aber wegen einer Hochzeit können wir die Kirche nur von außen sehen.
Dann fahren wir weiter, und legen kurz darauf im Hafen von Mittelzell an. Am Kloster erwartet uns eine Menschenmenge und Böllerschüsse – schon wieder eine Hochzeit. Wieder nichts mit Besichtigung. Aber wir werfen einen Blick in die Kirche mit dem wuchtigen Turm. Zurück auf dem Wasser manövrieren wir zwischen den Anlegebojen am Ufer durch, und suchen die Durchfahrt. Die Insel ist zwar per Damm mit dem Festland verbunden, aber es gibt eine Durchfahrt für Boote, die aber nicht auf den ersten Blick erkennbar ist. Aber Christian kennt sich aus, und ich folge.
Auf der anderen Seite merkt man den Rhein, denn das Wasser ist deutlich klarer, vermutlich weil es mehr in Bewegung ist. Von der Strömung merkt man natürlich nichts; dafür haben wir Rückenwind. Was aber unangenehm ist, weil es keinen kühlenden Lufthauch mehr gibt; die Luft steht, und der Schweiß läuft mir in Strömen von der Stirn. Es fühlt sich zäh an. Endlich erreichen wir den Campingplatz auf der Westseite, wo Christian einen Biergarten kennt – mit schönem Ausblick auf den Seerücken, das Höri und die Vulkane des Hegau in der Ferne. Dazu Weißbier und Eis.
Nach einer halben Stunde steigen wir wieder ins Boot – Karin und Christian wollen ihre Tochter nicht warten lassen, es wird langsam Zeit für das Abendessen. Wir schieben unsere Boote wieder durch den Algenteppich ins Wasser und paddeln los – voll gegen die Sonne, das ist unangenehm. Meine Kräfte schwinden; Karin und Christian geht es auch nicht besser. Wo müssen wir überhaupt hin? Im Gegenlicht sieht man es kaum. Endlich erreichen wir den Bootssteg des Kanuclubs. Geschafft!
Inzwischen ist es 19:00 Uhr; ich habe mir noch keine Gedanken über das Abendessen gemacht, und habe nur eine Packung Müsli im Gepäck. Aber Karin und Christian laden mich ein, zusammen mit ihrer Tochter und deren Freund grillen wir und sitzen bis in die Dunkelheit zusammen, sie erzählen vom Paddeln auf Jagst und Kocher. Eine sehr nette Familie! Abends stehen wir noch am Steg, fachsimpeln mit einem anderen Faltbootfahrer („Das Ladoga ist das Schnellste, was man für diesen Preis – oder noch deutlich mehr – bekommt, aber man braucht danach kein Aufbau-Bier, sondern einen Aufbau-Vodka.“) und schauen den Kindern zu, die für ein Kanu-Wochenende hier sind und eine Nachtfahrt mit Taschenlampe veranstalten.
Ich wache schon um 7:00 Uhr morgens auf, und baue mein Zelt ab. Gestern hat man mich auf die Idee gebracht, nach Schaffhausen zu paddeln – das ist weit, aber machbar, wenn man nicht zu spät startet. Ich habe allerdings eine Deadline: Mein Zug geht um 18:05 in Radolfzell, bzw. ich könnte schon um 17:42 in Schaffhausen zusteigen. Herbert, auch ein Faltrad-Begeisterter wie ich, und Christian wollen noch schnell mein Puffin probefahren (ihre Kommentare sind recht positiv). Dann verlade ich mein Gepäck – Zelt etc. liegen in einem Sack im Achterschiff, ich schnalle den Skeg an (zum ersten Mal; ich habe ihn neu, und auf dem See ist das Boot zu drehfreudig), und zurre das in den Ortlieb-Rucksack verpackte Faltrad mit Spannriemen auf dem Achterdeck fest. Ebenfalls eine Premiere!
Ich verabschiede mich, und steche in See; es ist 10:00 Uhr. Das Boot ist trotz Beladung sehr stabil, man merkt das Fahrrad gar nicht. Es ist dunstig; das ist mir aber ganz recht, weil ich dann nicht so schwitze wie gestern. Vorbei am Schilfgürtel geht es um die Höri herum, und um 12:00 bin ich in Wangen, wo eine Landspitze mit Baum in den See ragt und zum Frühstück einlädt. Ich futtere meine Müslivorräte; während dessen legen ein paar andere Faltboote an. Unglaublich, wie viele Faltboote es in dieser Gegend gibt! Als Bayer kenne ich das nicht, ich bin immer der Einzige weit und breit.
Links und rechts erheben sich am Ufer Höhenzüge, aber der Rhein ist hier immer noch sehr breit, mehr See als Fluss, und wird auch nur langsam schmäler. Langsam kommt die Sonne heraus, und mir wird heiß. Am Ufer steigt eine Rauchwolke auf; ich halte das zuerst für Leute, die grillen, aber dann sehe ich: es ist ein echtes Dampfboot! Aber mir bleibt nicht viel Zeit zum Beobachten, denn der heftige Schiffsverkehr produziert viele Wellen, gerade hier, wo der See eng wird. Ich bin kurz vor Stein am Rhein. Eine Stelle mit unruhigem Wasser kommt auf mich zu – die erste Stromschnelle! Ab hier gibt es Strömung! Exakt, wie es die Leute in Iznang vorausgesagt haben!
Konzentriert steuere ich unter der Brücke durch, entscheide mich aber, dann noch anzulegen. Es ist 13:30, ich habe die Hälfte der Zeit verbraucht und die halbe Strecke geschafft. Einen kurzen Landgang kann ich mir leisten. Stein hat eine wunderschöne kleine Altstadt; in den engen Gassen kaufe ich mir ein Eis, und dann nachher zurück an der Anlegestelle noch eine Rivella – schließlich bin ich in der Schweiz!
Zwanzig Minuten später sitze ich wieder im Boot; ich lasse die Dampf-Parkeisenbahn am Ufer (die Steiner Liliputbahn) und die Burg Hohenklingen hinter mir, die Ufer werden steiler und bewaldet, ich unterquere eine hohe Straßen- und daneben eine Eisenbahnbrücke. An den Pfeilern sieht man, dass hier eine ganz ordentliche Strömung herrscht – das glatte Wasser bildet hier ordentliche Bugwellen. Die vielen Motorboote vom See sind endlich weg; dafür sind hier viele Schlauchboote und Kanus unterwegs, die offensichtlich von Stein aus gestartet sind. Als das Tal wieder etwas weiter wird, komme ich nach Diessenhofen; das rechte Ufer gehört dagegen wieder zu Deutschland. Hier, wo die Ufer wieder besiedelt sind, gibt es gleich viel mehr Motorbootverkehr.
Das rechte Ufer wird noch einmal für ein paar hundert Meter schweizerisch, dann taucht nach einer Kurve rechts Büsingen am Hochrhein auf – eine Kuriosität, weil es zu Deutschland gehört, aber als Exklave komplett von schweizer Staatsgebiet umgeben ist (und deshalb nicht zum EU-Zollgebiet gehört und auch zwei Postleitzahlen, eine deutsche und eine schweizerische, besitzt). Hier wird das Paddeln mühsamer, weil die Strömung nachlässt. Charakteristisch hier sind die Bootsanlegestellen: Parallel zum Ufer gibt es eine Reihe galgenförmiger Gestelle, zwischen denen die Boote gehängt werden. Auf der einen Seite sind die Boote direkt mit einer Leine befestigt, auf der anderen Seite sorgt ein Gewicht an einem Flaschenzug (wie bei Eisenbahn-Oberleitungen) für ausreichend Zug an der Leine.
Das rechte Ufer wird wieder schweizerisch, Kanton Schaffhausen; gleichzeitig wechselt es links vom Kanton Thurgau zum Kanton Zürich. Die Strömung ist wegen dem Wehr flussabwärts gleich null; es ist 16:00 Uhr, und ich erreiche Schaffhausen. Kurz vor der Eisenbahnbrücke lege ich an – hier gibt es Stufen, an denen man bequem an Land gehen kann. Eine Dreiviertelstunde brauche ich, um das Boot zu verpacken und das Faltrad auszupacken; dann kommt das Paket wieder auf meinen Rücken, und ich fahre zum Bahnhof.
Dort kaufe ich mir eine Fahrkarte bis Radolfzell; nach einer kurzen Pause mache ich mich noch einmal auf den Weg, um mir eine halbe Stunde lang Schaffhausen anzuschauen. Dann wird es Zeit für die Heimfahrt. Natürlich ist der Zug verspätet, aber nur wenige Minuten; es ist ein Neigezug, und so voll besetzt, dass ich mich kurzerhand in das erste-Klasse-Abteil setze (woanders hätte ich mein Gepäck gar nicht untergebracht). Der Zug macht richtig Spaß und jagt flott über die kurvige Strecke nach Friedrichshafen. Immer mehr Leute steigen ein; eine Gruppe Radfahrer muss zurück bleiben, weil kein Platz mehr ist. Ich tausche meinen Sitz gegen meinen Falthocker, was die Mitreisenden amüsiert. Wir kommen verspätet in Ulm an; aber auf die Verspätung der Bahn kann man sich verlassen, auch der ICE ist etwas zu spät, so dass es passt. Mit diesem fahre ich durch die Nacht bis München.
Die Loisach ist ein abwechslungsreicher Fluss, der nahe an den Bergen verläuft, reichlich Wasser bietet und nicht zuletzt recht ordentlich mit öffentlichem Nahverkehr erschlossen ist. Also der perfekte Kandidat für eine Befahrung am Pfingstwochenende – denn der Wetterbericht ist hervorragend. Im Oberlauf gibt es Wildwasser, dann kommt Garmisch-Partenkirchen, und so wähle ich Oberau als Startpunkt.
Gegen 9:00 Uhr verlasse ich das Haus und laufe zur U-Bahn. Der Zug fährt eine halbe Stunde später, und ist schon gut voll. Aber ich finde noch Platz. Kurz vor 11:00 Uhr bin ich dann in Oberau; vom südlichen Bahnsteig-Ende aus muss man nur über den Bahnübergang gehen und ist schon am Deich der Loisach. Ich bin überrascht, wie flott das türkisgraue Wasser dahinfließt – aber ganz laminar, keine Stromschnelle ist in Sicht. Sorgfältig baue ich das Boot auf und mache Fotos; um 12:00 bin ich dann endlich im Wasser.
Die Landschaft ist einfach großartig – links und rechts Berghänge, hinter mir das schneebedeckte Wettersteingebirge. Die Loisach fließt neben Straße und Eisenbahn dahin, gesäumt von Büschen; als einmal die Felswand besonders nah an den Fluss rückt, brauche ich ein Foto. Ich packe meine Vordertasche auf und knipse. Natürlich kann man dabei nicht paddeln, aber das ist normalerweise kein großes Problem – das Boot dreht sich, man dreht es danach wieder zurück. Aber während ich die Kamera in der Hand halte, treibt es mich ans Ufer, wo ich mit ein paar Zweigen kollidiere. Normal auch kein Problem; aber hier ist die Strömung so stark, dass sich sofort das Wasser vor meinem quer stehenden Boot staut und mich in sekundenschnelle kentern lässt. Ich kann gerade noch die Spritzschürze lösen, und brauche eine ganze Weile, bis ich am Grund stehe und das Boot halten kann. Zum Glück habe ich eine Paddelsicherung, denn dieses wäre ansonsten weg. Genauso wie die Trinkflasche, was aber nicht schmerzt. Dümmer ist, dass meine Kamera einen Tauchgang gemacht hat und damit hin ist, und dass meine komplette Front-Tasche geflutet ist (sie war ja offen, um die Kamera zu entnehmen).
War ganz klar meine eigene Schuld; ich habe das Wasser unterschätzt. Manchmal muss man eben aus Erfahrung lernen. Das Boot lässt sich auch in dieser schnellen Strömung hervorragend steuern, aber sobald man ins Wasser eintaucht, ist die Strömung brutal heftig; ich schaffe es kaum, mein neben mir schwimmendes Boot festzuhalten. Vorsichtig lasse ich mich ein paar Meter weitergleiten, an eine Stelle ohne Büsche, wo näher am Ufer die Strömung schwächer ist. Hier verkeile ich das Boot am Ufer und kann auch endlich stehen, ohne mich krampfhaft irgendwo festklammern zu müssen. Jetzt schwimmt der Kahn kopfüber; ich drehe ihn um und hoffe, dass aus der Vordertasche nicht allzu viel herausgefallen ist – denn das ist zweifellos für immer verloren. Trinkflasche habe ich ja nicht mehr, und so muss der Schwamm das Wasser herausbekommen. Das dauert rund eine Viertelstunde. Aber ich habe Glück; das Wasser ist nicht kalt, ich stehe mit nackten Beinen im Fluss und friere nicht.
Dann ist das Boot leer; ich steige ein, und fahre weiter. Was sonst. Die Schlauchbootfahrer, die an mir vorbei gefahren waren, habe ich recht bald wieder eingeholt; und dann kommt Eschenlohe, mit seiner massiven Hochwasserverbauung (grobe Steine und Betonmauer) und überdachten Brücke. Eine Stunde seit dem Start, und noch nicht weit gekommen. Aber es läuft gut; Eisenbahnbrücke, dann öffnet sich die Landschaft zum Murnauer Moos. Es kommt eine Straßen- und eine Autobahnbrücke (unter der ein paar Leute grillen; ich kann mir romantischere Plätze vorstellen), rechts liegt Ohlstadt, und der Fluss verläft zwischen Wiesen dahin. An einer Stelle reicht eine Weide bis ans Wasser, eine Kuh steht am Fluss, und schaut blöd. Dank der Sonne und dem warmen Wind ist meine Kleidung längst wieder trocken.
Die Bahn quert noch einmal auf einer Stahlgitterbrücke, und rechts taucht ein Höhenzug der Faltenmolasse auf. Bald auch links, und zwischen diesen beiden parallel verlaufenden Gebirgsfalten schlängelt sich die Loisach dahin – mal durch die Wiese, mal bis dicht an den Prallhang heran, wo die Erosion den Kies freilegt und Bäume in Richtung Wasser stürzen lässt. Ich komme zwar immer noch ordentlich vorwärts, aber es sind nicht mehr die 12 km/h von Oberau, sondern ein Drittel langsamer. Schließlich kommt gegen 14:30 Uhr die Erklärung: Zuerst schwingt sich die Autobahn auf einer hohen Brücke vom südlichen zum nördlichen Höhenzug, und dahinter kommt gleich das Wehr von Kleinweil. Definitiv unfahrbar!
Ich steige aus, bringe das Boot an Land und mache erst einmal eine Pause. Begutachtung des Schadens. Die Semmeln sind etwas feucht geworden (merke: Äpfel und Bananen sind wasserdicht), der Geldbeutel ist durchnässt, ebenso das Kanu-Handbuch, aber nichts fehlt. Und mir fällt ein, dass ich mit dem Handy rudimentär fotografieren kann. Löwenzahnwiesen, hübsche Häuser und im Hintergrund der noch teilweise schneebedeckte Herzogstand.
Dann trage ich Gepäck und Boot hinter das Wehr und fahre los (15:00). Bald kommt wieder ein Wehr, laut Schild unfahrbar; ich steige aus und schaue mir die Sache an. Wirkt machbar; besser wäre es gewesen, den rechten Arm der Loisach zu nehmen, aber der mittlere tut’s auch, wenn man gut fährt. Funktioniert. Dahinter noch eine Schwelle, ebenfalls befahrbar, ich setze nur kurz auf.
Danach geht es ruhig dahin; irgendwann öffnet sich das baumbestandene Ufer, rechts ist ein Kiesberg mit Bagger, und ich bin auf dem Kochelsee. Drei Angler sind mit ihren Ruderbooten auf dem See postiert; hinter ihnen das Walchensee-Kraftwerk und der Herzogstand. Wir haben Ostwind, und gegen den muss ich jetzt auf das andere Ufer. Schon bisher hat der Wind auf den exponierten West-Ost-Abschnitten mir das vom Paddel abtropfende Wasser entgegengeweht, aber jetzt wird es immer heftiger, es bilden sich erste Ansätze von Schaumkronen, und ich komme teilweise mit nur noch 3 km/h voran – während mir das Wasser vom Bug ins Gesicht geweht wird. Aber Kochel kommt näher, und nach rund einer Stunde habe ich den See überquert, es ist 17:00 Uhr, und ich mache am Trimini fest. Geschafft!
Ich kaufe mir ein Eis und ein Spezi, die Nachmittagssonne brennt vom immer noch strahlend blauen Himmel und spiegelt sich glitzernd im Seewasser. Ich breite meine Papiere, Plastikkarten und Geldscheine am Tisch aus und lasse sie trocknen, wobei sie der Wind immer wieder fast wegweht. Soll ich schwimmen gehen? Die Rutsche probieren? Schwimmhose habe ich ja an. Und keinen Eintritt gezahlt! Aber ich habe irgendwie keine Lust; weil ich wohl nicht legal rauskomme, gehe ich, wie ich gekommen bin – mit dem Boot steuere ich Richtung Dampfer-Anlegestelle und gehe an Land. Neopren-Short aus, Ziphose an, bereit für den Landgang.
Zuerst erkunde ich die Umgebung; die Straße führt bergauf zum Ortszentrum, im Norden ist das Trimini, und im Süden ein Fußweg am Ufer, der bald im Nichts endet. Sehr schön! Im Ort gibt es eine wunderschöne Wiese mit Butterblumen und Löwenzahn, und dann gehe ich der Hauptstraße entlang bis zum Bahnhof. Ok, Züge fahren sehr spät und sehr früh, also ein brauchbarer Plan B. Aber zuerst gehe ich zurück zum See und trage mein Zeug hinüber zu dem Fußweg. Der Bootsverleih macht gerade zu, die letzten Spaziergänger machen sich auf den Heimweg. Hier wird mich niemand stören.
Ich gehe erst einmal zum Abendessen, futtere ein Omelette mit Schafskäse und einen Apfelstreusel, sitze noch eine Weile, und gehe dann um 20:30 ins Kino hier in der Heimatbühne. Irgendwie muss man die Zeit ja totschlagen. Es kommt „Leergut“, ein tschechischer Film über ein alterndes Ehepaar und wie man sich auseinanderlebt. Echt empfehlenswert!
Dann ist es dunkel, und ein sternklarer Himmel über mir. Der zunehmende Mond wird bald untergegangen sein, aber es ist noch recht warm. Im Schein der Stirnlampe baue ich am Uferweg meine Hängematte auf, Schlafsack rein, und lege mich schlafen. Fast zu warm. Gegen halb vier wache ich auf – jetzt ist es kalt; und ich ziehe die Kapuze voll zu. Erst gegen halb neun wache ich wieder auf; es ist noch kalt, ich bleibe liegen, bis mich die ersten Sonnenstrahlen erreichen (9:00). Dann erst mal in den Ort frühstücken. So richtig warm ist es immer noch nicht. Es ist 10:00 Uhr, ich packe mein Zeug zusammen, pumpe noch einmal Luft in die Kenterschläuche, besuche das Klo im Trimini, und um 11:00 Uhr bin ich auf dem Wasser. Es läuft genial, der Wind ist weg, ich durchschneide das glatte Wasser. Die Sonne brennt, ich schwitze.
Fast nehme ich die falsche Ausfahrt aus dem See; das GPS hilft weiter. Dann kommt erst einmal eine angeblich befahrbare Schwelle, die fürchterlich rauscht, aber dann doch harmlos ist. Dann geht es durch das Moor dahin nach Norden; am Ufer sind die Sedimente teils freigelegt, ein schütterer Baumbestand säumt das Ufer (v.a. Birken), und ein Radweg verläuft auf der Ostseite. Auch heute sind wieder Unmengen von Insekten nahe der Wasseroberfläche, die aber nicht lästig werden und vor allem nicht stechen. Nach rund einer Stunde beginnt der Wald; ich unterquere die Bundesstraße, der Fluss wendet sich nach Osten, und dann kommt die Eisenbahnbrücke Richtung Penzberg. Direkt dahinter muss ich links in den Kanal fahren und umtragen.
Hier, in Schönmühl, macht die Loisach eine Schleife nach Osten – die aber schlecht befahrbar ist (schon am Anfang ist ein Wehr), und der Hauptstrom unterquert den Berg in einem Stollen und versorgt das Kraftwerk auf der anderen Seite. Ein weiter Weg; zuerst die Taschen und das Paddel, wieder zurück, und dann das Boot. Auf der Entfernung nicht getragen, sondern auf der beräderten Kraxe gezogen – was nur recht und schlecht geht. Hier kommen viele Radler vorbei, und es gibt auch ein hübsches Wirtshaus.
Insgesamt dauert es eine gute Stunde, bis ich wieder im Boot sitze – das zieht sich immer. Dafür ist die Strömung flott; obwohl das Wasser seit dem Kochelsee so ruhig aussieht, ist Einiges geboten, weil das Walchenseekraftwerk die Wassermenge um gut 50% erhöht. Bald komme ich an Maxkron vorbei; und dann wird es wieder einsam. Nur bei Fletzen ragt ein Brückenpfeiler der ehemaligen Bahnstrecke nach Wolfratshausen aus dem Fluss; an einer Gabelung ist ein großer Haufen Treibholz, der zeigt, was für eine Gewalt die Strömung hier manchmal hat; irgendwo ist ein Steg mit einer Schaukel am Ufer; und ich überhole eine Gruppe Paddler – die beiden Jungs vorneweg im Klepper, und die Mädels im Schlauchboot drangehängt. Aber mein Tempo halten sie nur kurz.
Schon den ganzen Tag bemerke ich, wie es sich hinter mir dunkel bewölkt; anfangs war der Schatten der Haufenwolken recht angenehm, aber jetzt sieht es immer mehr nach Regen aus. Und ich werde langsamer. Endlich erreiche ich Beuerberg; das Kloster thront auf dem Berg, unten stehen ein paar schmucke Häuser, Angler sitzen am Ufer, und das Wehr zwingt mich zum Umtragen. Nur ist leider kein Ausstiegsplatz. Ich lege an der Wieseninsel zwischen Fluss und Abzweig des Loisach-Isar-Kanals an. Rüberschleppen (langsam schwinden meine Kräfte), einsteigen, und erstmal sitze ich auf; muss die seichte Stelle umfahren. Bald kommt das nächste Wehr, kurz vor Eurasburg; wieder unbefahrbar und ohne Ausstiegsstelle. Ich mache am hohen baumbestandenen Ufer fest und versuche mich, an den Ästen rauszuziehen; klappt mehr schlecht als recht, aber es gibt keinen Platz für eine Paddelbrücke.
Ich zerre das Boot aus dem Wasser und schleife es über die Wiese; Spuren zeigen mir, dass es jemand schon mal genauso gemacht haben muss. Rein ins Wasser, und weiter. Das Umtragen, zusammen mit dem gestauten Wasser vorher, kostet ganz schön Zeit. Aber die Sonne kommt wieder raus; ich kann dem Unwetter wohl doch noch entkommen.
Bei Achmühle habe ich die Wahl, geradeaus oder Schleife ausfahren; ich entscheide mich mal für Möglichkeit zwei. Es gibt zwar einige recht seichte Stellen, aber dafür ist es abwechslungsreich; an einem Ast hängt ein Surfbrett, eine Fußgängerbrücke, und ein paar mal eine flotte Strömung. Am Ende der Schleife sehe ich, dass auf der anderen Route der Höhenunterschied weitgehend in einer großen Stufe überwunden wird.
Inzwischen ist es 17:00 Uhr; eine halbe Stunde später bin ich in Wolfratshausen. Die letzten Meter werden noch einmal langsam, weil wieder ein Wehr die Loisach aufstaut. Die Kirche mit Zwiebelturm steht malerisch vor dem Isarhochufer, davor die überdachte Fußgängerbrücke. Dann kommt das Wehr, und davor die Aussetzstelle. Nach zehn Minuten bin ich aus dem Wasser und habe das Boot auf den Wagen verladen. Vorbei an Stoibers Haus (jetzt ohne Polizist davor) zum Bahnhof. Kurz vor 18:00 komme ich dort an; der Automat mag meine Geldscheine nicht, darum muss es eine Einzelkarte per EC sein. Ich schaffe es nicht, das Boot in 10 Minuten so weit zu zerlegen, dass ich es in den Zug verladen kann, und so muss es der nächste sein. Inzwischen zucken in der Ferne die ersten Blitze.
Scharenweise Radler strömen noch in den Zug, dann fährt er ab (doch gut, das Boot noch auf dem Bahnsteig zu verpacken). Unterwegs steigt eine Gruppe junger Leute zu; sie sagen, sie waren seit 11 Uhr auf dem Wasser, aber sind nur von Wolfratshausen bis halb nach München gekommen, und mangelnde Geschwindigkeit haben sie mit Bier kompensiert ... ;-)
Fazit: Ein sehr empfehlenswerter Fluss, den ich bei wirklich perfektem Wetter erlebt habe; am Ende der Tour zeigte das GPS 70 km. Davon zog sich der zweite Teil schon ziemlich – 39 km an einem Tag mit dreimal umtragen ist viel.
Der Inn ist einer der wasserreichsten Flüsse im Voralpenland, daher eigentlich ideal zum Paddeln, allerdings folgt zumindest im bayerischen Teil ein Wasserkraftwerk nach dem anderen, so dass eine Befahrung nicht viel Spaß macht. Eine Ausnahme ist der Abschnitt von Jettenbach bis Mühldorf; dort gibt es zur Stromgewinnung den Innkanal, der parallel zum Fluss verläuft, so dass dieser weitgehend naturbelassen ist.
Ich fahre also mit dem Zug nach Rosenheim, wo ich umsteigen muss. Als ich den Bootswagen die Stufen der Bahnsteigunterführung hochziehe, kommt ein Mitreisender mit den Worten „Das ist doch zu mühsam!“, packt am anderen Ende an und trägt mit mir das Boot nach oben. Mit dem Bummelzug geht es weiter Richtung Mühldorf bis Jettenbach; dies ist eine Bedarfshaltestelle, ich muss dem Lokführer sagen, dass ich aussteigen will. Dann marschiere ich an der Straße entlang bis zur Wehranlage (1,5 km); hier wird der Inn aufgestaut und der Innkanal zweigt ab. Unterhalb des Wehres befindet sich eine Kiesbank, die ideal zum Aufbauen des Bootes ist; eine Familie ist mit ihrem Kanu auch schon dort, sie warten noch auf jemand, der gerade das Auto an den Zielort bringt. Ich baue mein Boot auf; die Kinder haben nichts zu tun und brennen darauf, mir zu helfen. Rund eine halbe Stunde später, gegen Viertel nach zwei, bin ich fertig und fahre los.
Unter der Straßenbrücke fließt das Wasser schonmal recht flott – so kommt man gut vorwärts. Kurz zuvor befindet sich die „offizielle“ Einsetzstelle, wie sie am Wehr ausgeschildert ist; aber die Kiesbank weiter oben erscheint mir besser. Dann überhole ich einen Kanadier mit zwei Leuten; sie fragen mich, ob ich mit dem Zug gekommen sei – sie hätten mich gesehen, und sie wollen auch bis Mühldorf.
Eine Weile sehe ich sie noch, aber ich bin doch schneller. Das Ufer ist von Bäumen gesäumt; in einer weiten Kurve geht es nach links. Der Inn fließt recht träge dahin, aber alle paar hundert Meter kommt eine Stromschnelle. Anscheinend soll der Fluss mit diesen vermutlich künstlichen Verbauungen gebremst werden; obwohl es jedes Mal bedrohlich rauscht, wenn man sich nähert, sind diese Stufen alle ganz harmlos, der Höhenunterschied beträgt nur knapp einen halben Meter, und die vielen Wellen rühren vermutlich daher, dass das Wasser nach der Stufe noch ein paar Mal „nachschwingt“ – einen Stein oder so konnte ich zumindest nirgends erkennen.
Links taucht die Straße und dann Kirche und Häuser des Weilers Sankt Erasmus auf, etwas später kommt dann rechts Kraiburg mit einer Innbrücke (an der ein treibender Baum hängen geblieben ist). Kurz darauf folgt die nächste Brücke, die dann bis Mühldorf die letzte sein wird. Auch Häuser sieht man ab jetzt keine mehr. Am Ufer befindet sich Kies, und darüber eine manchmal mehr oder weniger freigelegte Sandschicht, in die das Wasser je nach Pegel horizontale Linien gegraben hat. Immer wieder münden Rinnsale von der Seite ein, versteckt unter Bäumen; manchmal richtige kleine Canyons.
Am nächsten rechtsseitigen Prallhang wendet sich der Inn wieder recht abrupt nach links, und entsprechend ist der komplette Hang bis oben hin freigelegt; diverse Bäume sind schon den Abhang hinunter gestürzt, und man hört permanent, dass kleine Steinchen herunterrieseln. Im Unterschied zum restlichen Ufer, das von Weiden bewachsen ist und weiter oben von Fichten dominiert wird, stehen hier Kiefern – wie in Waldkraiburg, das jetzt querab sein müsste. Langsam wird auch das Wetter besser; anfangs sind noch Wolkenberge, teils blaugrau, vorbei gezogen; jetzt gibt es immer mehr blauen Himmel, und die Sonne kommt durch (was doch recht nett ist, weil das schlammige Wasser sonst recht trostlos aussieht).
In der folgenden Schleife zeigt sich dann ein beeindruckendes Beispiel für Erosion in dem weichen Sedimentmaterial: Das Wasser hat durch den Wald am Ufer einen tiefen Kanal in den Sand gegraben, durch den bei Hochwasser sicher ordentliche Wassermengen geflossen sein dürften. Tatsächlich kann ein Hochwasser nicht so lange her sein, weil man am Ufer an vielen Stellen sieht, dass der Bewuchs bis gut einen Meter über die Wasseroberfläche mit Schlamm bedeckt ist. (Das ist bei diesem Wasser keine Kunst, weil es insgesamt sehr schlammig ist – oberhalb der Stromschnellen, wo das Wasser ruht, bilden sich Muster im Wasser, die auf beginnende Absetzvorgänge hindeuten; in den Turbulenzen danach wird die Suspension wieder durchgemischt.)
Drei Stunden bin ich jetzt unterwegs, als über den Bäumen links ein Kirchturm auftaucht – schon Mühldorf? Ich folge der Schleife nach Süden, am Ufer gibt es überall Bebauung, und am folgenden Ast der Schleife befindet sich eine Brücke. Ist das schon die Brücke am Stadtplatz, oder kommt die noch? Das GPS zeigt erst 23,1 km. Aber dann hört die Bebauung schon wieder auf – ich muss raus! Es ist Viertel vor sechs, ich lege an, schleppe mein Boot hinauf zum Uferweg, baue es ab, und marschiere Richtung Stadt. Dort genehmige ich mir erstmal ein Eis; der Stadtplatz ist sehr hübsch, mit Fassaden im Inn-Salzach-Stil, aber leider ist alles zugeparkt mit Autos. Mehr Autos als Menschen. Langsam laufe ich weiter Richtung Bahnhof, wo ich gegen Viertel nach sieben ankomme. Der Zug geht erst in gut zwanzig Minuten, erfahre ich. Also setze ich mich noch in die Bahnhofsgaststätte – die gar keine heruntergekommene Spelunke ist, wie meistens, sondern recht nett, mit Biergarten, und im Gastraum gibt es einen Monitor, der die Abfahrtszeiten der Züge anzeigt! Ich bestelle mir Pommes und ein Radler, und dann geht es mit dem Zug zurück nach München.
Eine Bootstour auf der Amper ist aus Münchner Sicht nahe liegend; aber Befahrungsverbote bis Mitte Juli sorgten dafür, dass ich es nicht schon früher in diesem Jahr gemacht habe. Jetzt ist ein schöner Tag, und die gute Erreichbarkeit mit der S-Bahn erlaubt, dass ich losziehe, obwohl schon Mittag ist. Um halb zwei laufe ich los zur U-Bahn, ab Hauptbahnhof geht es dann mit der S-Bahn nach Grafrath. Nachdem ich den kleinen Fußweg in die Ortsmitte gefunden habe (welcher Idiot baut eigentlich bootswagenfeindliche Stufen in eine so flache Fußgängerunterführung?), geht es hinunter zur Amper; direkt oberhalb der Brücke der Bundesstraße gibt es ein Gelände der Wasserwacht, wo man sein Boot einsetzen kann.
Dort herrscht schon munteres Treiben. Eine ganze Gruppe scheint gerade angekommen zu sein und ist beschäftigt, ihre Kanadier auf den Anhänger zu laden, und ein paar Familien blasen ihre Schlauchboote auf. Ich geselle mich dazu, baue im Akkord mein Boot auf (ehrfürchtig bestaunt von den Kindern, die meinen, ich sei ein Profisportler), steige ein und fahre los. Von der S-Bahn aus hatte ich schon Zweifel, ob ich bei dem ruhig dahin strömenden Wasser ausreichend schnell vorwärts komme, aber es gibt doch eine ordentliche Strömung. Bald kommt eine Holzbrücke in Sicht, wenig später eine Insel, die man laut Führer rechts umfahren soll. Langsam öffnet sich das enge Tal, der Fluss wird breiter und fließt langsamer dahin. Die ganzen anderen Boote, die heute den Fluss bevölkern, lasse ich hinter mir; meist sind es Schlauchboote, mit mehreren Leuten besetzt, die ziemlich geknickt im Wasser liegen und sich mehr oder weniger treiben lassen.
Dann weichen auch die Bäume am Ufer, die Amper fließt zwischen Wiesen und Felder nach Schöngeising, das hinter der Kurve liegt. Schilder warnen vor dem Wehr und leiten die Boote links an der Insel vorbei, wo bald ein Kraftwerk folgt. Die Umtragestelle ist aber luxuriös: Man kann an einem niedrig montierten Gitterrost bequem aussteigen und dann daneben sein Boot an einer Rampe quer aus dem Wasser ziehen. Zusammen mit einer Gruppe junger Leute in einem Kanadier trage ich um; die Einsetzstelle ist nicht weit, direkt hinter dem Kraftwerk. Bei der folgenden Insel fahre ich rechts, die anderen links; sie sind schneller, weil dort deutlich mehr Strömung ist. Nach der Kurve kommt das nächste Warnschild, das vor einem unbefahrbaren Wehr warnt; wieder tragen wir um. Obwohl die anderen zu dritt sind (ein Junge und zwei Mädels), tue ich mich deutlich leichter, weil mein Boot weniger als ein Drittel ihres Kanadiers wiegt. Eigentlich hätte man hier durchfahren können, stellen wir fest – es ist nur eine recht harmlose Wildwasserstelle, kein Wehr.
Dann nähert sich die Amper wieder dem bewaldeten Moränenhang und folgt ihn mit einer scharfen Rechtskurve. Mit einer Linkskurve wendet sie sich dann parallel zum rechten Hang; überall lassen Bäume ihre Äste ins Wasser hängen. Dann kommt die Eisenbahnbrücke in Sicht; ich lasse mich treiben und futtere Müsliriegel, während die anderen wieder in Sichtweite kommen. Ab jetzt weitet sich die Amper zu einem See, mit Inseln und seichten Stellen in der Mitte. Nach einer recht niedrigen Brücke wird die Bebauung von Fürstenfeldbruck sichtbar; nach ein paar weiteren Brücken kommt hinter dem Freibad ein Wehr in Sicht. Laut Führer soll man in den Werkskanal einfahren – der aber durch ein Drahtseil abgesperrt ist. Egal, ein anderes Boot ist auch reingefahren. Nach hundert Metern muss man umtragen; über eine Treppe geht es von dem erhöhten Kanal hinunter in einen Seitenbach – der allerdings zu seicht zum fahren ist. Ich wate fünfzig Meter durch das flache Wasser, bis ich wieder einsteigen kann. Hinter dem Kraftwerk mündet der Bach in den Werkskanal, und dieser bald in den restlichen Fluss. Schöne Ecke hier!
Ich unterquere die Brücke der Bundesstraße im Zentrum, fahre vorbei am Friedhof, und erreiche das Emmeringer Hölzl. Hier zweigen links sieben Nebenarme ab, die sich später wieder mit dem Hauptarm verbinden. Keiner von ihnen erscheint mir befahrbar; meist liegen Baumhindernisse im Weg, teilweise sind die Fußgängerstege auch zu niedrig. Dann kommt ein Schild, das wieder vor einem Wehr warnt. Sicherheitshalber steige ich aus (die Strömung ist hier so stark, dass man das Boot nicht so leicht anhält) und inspiziere – Wildwasser, aber machbar. Ich ziehe die Spritzschürze an (eine gute Investition!) und fahre durch die beiden Wildwasserstellen – problemlos, ohne Schürze wäre es aber etwas feucht geworden.
Dann kommt eine Abzweigung nach links, die man bei Niedrigwasser nehmen soll, um die folgende Wildwasserstelle zu umfahren. Ich taste mich an diese langsam ran – sieht gut aus, und es klappt auch. Umweg gespart. Dann geht es wieder eine ganze Weile dahin, bis ein Wehr auftaucht. Hier ist meist der Kanal die bessere Alternative, weil der Amper wenig Wasser bleibt. Bei einem Pegel Fürstenfeldbruck von weniger als ca. 80 cm ist das der Fall (wir haben 64 cm heute). Die Schütze sind offen, also kann ich direkt in den Kanal einfahren, und lasse mich in Richtung Kraftwerk Olching treiben. Dort muss man links umtragen; das Einsetzen ist etwas hakelig, weil es nur ein paar Steine am grasbewachsenen Ufer zum Einsteigen gibt. Nach 500 m kommt dann die Eisenbahnbrücke in Sicht; ich fahre rechts ran, steige aus, und baue mein Boot ab, während in der Nähe der Motor eines Kleinwagens in Flammen aufgeht (und von der Feuerwehr gelöscht wird). Die Attraktion für die Passanten! Ich packe mein Boot, laufe knapp 200 m zum Bahnhof, und fahre mit der S-Bahn heim. Schöne, abwechslungsreiche Tour – ca. 20 km lang, ich habe nur gut drei Stunden gebraucht.
Eigentlich keine richtige Tour: Roman wollte sein neues Boot testen (Triton Ladoga I), und so fahren wir zum Ammersee. Nach dem gemütlichen Aufbau paddeln wir rüber nach Schondorf, und legen dort am Strand an. Im Restaurant gibt es dann ein kleines Mittagessen (frische Ammerseerenken!), wir laufen etwas durch den Ort (wegen der brutalen Mittagshitze alles sehr gemütlich), und dann paddeln wir wieder zruück. Anschließend machen wir noch ein paar Einstiegs- und Kenterübungen. Fazit: Gar nicht so leicht, wieder in das Boot einzusteigen – gerade mit Wellengang dürfte das sehr trickreich sein. Wenn man erstmal hochgekommen ist (ein Paddelfloat hilft zwar, aber macht die Sache nur geringfügig leichter), muss man noch einsteigen, und das ist wegen dem hohen Schwerpunkt eine kippelige Sache.
Vielleicht hilft es, von hinten aus einzusteigen, so dass man gleich mit den Beinen voraus auf dem Boot sitzt, ohne sich nochmal umdrehen zu müssen. Beim Kentern habe ich es nicht geschafft, mich wieder aufzurichten (sowohl mit als auch ohne Paddelfloat) – ich musste aussteigen, das Boot umdrehen und wieder neu einsteigen. Ich sollte wohl wirklich die Eskimorolle üben.
Dieser Tourenbericht fällt etwas aus der Reihe, weil ich nicht mit dem Faltboot unterwegs war, sondern mit einem geliehenen Kanadier – im Rahmen des Geophysikstudenten-Treffens GAP 2007.
Mit dem Bus ging es erstmal von Münster Richtung Osten bis zur Brücke über die Werse, beim Restaurant „Nobis Krug“. Dort bekamen wir Schwimmwesten, Stechpaddel und die Boote – vier 4er-Kanadier und zwei 3er. Dann ging es los; die Koordination klappte überraschend gut, ohne Worte merkte jeder, ob er auf seiner Seite mehr oder weniger stark paddeln muss (oder es kam mir nur so vor, weil ich vorne saß und sie sich alle nach mir richteten?!?). Die Werse ist ein reiner Wanderfluss mit fast keiner Strömung; das dunkle, trübe Wasser schlängelt sich in zahlreichen Mäandern, von Bäumen gesäumt, dahin; viele Weiden ragen über das Wasser (und verleiten dazu, drunter durchzufahren). Am Ufer finden sich immer wieder Bootsstege, die zu Bootsclubs, Wochenendhäusern und Schrebergärten gehören, und immer wieder sieht man Angler, die ihre Würmer baden.
Nach rund zwei Stunden kommen wir nach gut 4 km (ja, wir haben uns Zeit gelassen) bei der Sudmühle an, wo uns ein Wehr an der Weiterfahrt hindert. Hier ist Zeit für die Mittagspause; wir tragen die Boote an Land zur angrenzenden Pferdeweide, und setzen uns ein Stück weiter auf den Radweg zum Picknick. Die Zeit vergeht; viele machen einen kleinen Mittagsschlaf; und danach geht es wieder zurück. Es ist so wenig Strömung, dass es keinen gefühlten Unterschied macht, ob man bergauf oder bergab fährt. Obwohl dieser Fluss alles andere als naturbelassen und entlegen ist, sieht man zahlreiche Tiere – nicht nur Enten und Gänse, sondern auch einen Graureiher, Eisvogel und eine Schildkröte. Zwischendurch biegen wir mal in einen Seitenarm ab; aber der wird bald immer enger, und das wird ein Problem, da wir rückwärts wieder raus müssen, und ein anderes Boot uns gefolgt ist. Aber nach anfänglichen Koordinationsproblemen klappt das. Später kommen wir an einem Bootshaus vorbei, von dem aus uns zugerufen wird: „Wollt ihr Waffeln?“ Ja, gerne! Wir legen an und bekommen eine frischgebackene Waffel. Nach insgesamt einer Dreiviertelstunde sind wir wieder am Startpunkt – was nun? Wir fahren weiter flussaufwärts; zunehmender Schaum auf dem Wasser kündigt wieder ein Wehr an, das sich dann bei der Pleistermühle befindet. Wieder alles sehr idyllisch hier! Wir wenden, fahren wieder zurück, und warten dann in der Nähe des Startpunkts auf die Anderen. Dort befindet sich auch an einem Baum eine Schaukel, auf der man weit über das Wasser hinausschaukeln kann – die Attraktion; manche ziehen Badezeug an und lassen sich von der Schaukel ins (noch recht kühle) Wasser fallen. Schließlich haben wir genug gespielt, legen an und holen die Boote aus dem Wasser.
Nach dem schwachen Winter und den anschließend rasant steigenden Temperaturen war es jetzt, kurz nach Ostern, höchste Zeit für das Paddeln. Ich hätte mir wohl noch viele Gedanken gemacht, wenn ich nicht ein paar Tage zuvor im Zug Veronika kennen gelernt hätte, die für das nächste Wochenende einfach eine Paddeltour auf der Ammer vorgeschlagen hat. Wir treffen uns um halb neun am Hauptbahnhof, und fahren über Weilheim nach Peißenberg (das seltsamerweise zwei Haltestellen hat).
Vom Bahnhof aus laufen wir uns die Füße platt – bis zur Böbinger Brücke ist es ein ganzes Stück. Der erste Bootstransport mit meiner neuen Kraxe; allerdings ist Veronikas Bootswagen doch die gemütlichere Alternative. Hinter der Brücke findet sich ein kleiner Kiesstrand; daneben bauen wir unsere Boote auf. Auf den ersten Blick sehen sie gleich aus: zwei blaue Puffins von Pakboats; aber Veronika hat ein Puffin II, das etwas länger und kaum breiter ist, aber damit deutlich mehr Platz für Gepäck – oder einen zweiten Paddler.
Mein Boot ist fast fertig aufgebaut; nur noch die Spritzdecke muss übergezogen werden. Dann tut es einen lauten Knall – und der Backbord-Luftschlauch ist platt. Zentimeterlange Risse machen eine Reparatur unmöglich – aber Veronika hat die Idee, mit einem Knoten und Ducktape wenigstens den vorderen Teil des Luftschlauchs nutzen zu können. Schwimmen tut das Boot, zweifellos. Aber es fehlt die Spannung, die das Gestänge an seinem Platz hält. Egal, aufgeben stand nie zur Debatte.
Vor uns ist ein weiteres Boot unterwegs – zwei Paddler auf einem Grabner-Luftboot; dieses kommt vergleichsweise leicht über die flachen Stellen, die mich hier, in diesem schattigen Teil des Flusslaufs, immer aufsetzen lassen. Veronika kommt besser zurecht; während sie zielsicher die richtigen Stellen findet, muss ich immer wieder ins Wasser greifen und mich über die Steine weiterschieben – wahrscheinlich hängt mein Kahn zu tief im Wasser. Zum Glück ist es richtig warm; ich sitze in kurzen Hosen und T-Shirt, und das Wasser ist nicht unangenehm kühl. Aber mir wird schon klar, was der Vorteil eines Kanadiers ist: Man sitzt nicht tief im Boot, sondern wie auf einem Thron; man kommt jederzeit an seine Sachen, weil keine Spritzdecke den Zugang behindert; wenn man hinten sitzt, ragt das Boot vorne ausreichend aus dem Wasser, so dass nur wenig Wasser überkommt; man braucht zum Ein- und Aussteigen keine Paddelbrücke, sondern kann vorne über den Bug trockenen Fußes an Land gehen. Genau wie jetzt, wo wir zum Mittagessen anlegen. Da stimmt der Coolness-Faktor! Auf einer Kiesbank machen wir uns breit; Veronika hat eine Brotzeit für uns mitgebracht, inklusive Öko-Bier! Was für eine Überraschung!
Die Uffinger Ache liegt inzwischen hinter uns; die Landschaft wird etwas offener, es kommt eine scharfe Linkskurve, und wir steuern auf den Durchbruch zu, der die letzte Auffaltung der Alpen, die aus den Sedimenten zwischen Staffel- und Ammersee aufragt, ein Stück östlich des Hohenpeißenbergs durchquert. In der Karte steht hier eine Stelle mit Wildwasser-II; wir legen an, und schauen uns die Stelle erstmal von Land aus an. Links kann man durchfahren, zwischen einer Wasserwalze und einem fetten Stein; daneben ist es zu flach, und man sieht die aufgeschlossenen Schichten der Gebirgsfaltung quer zur Fließrichtung.
Dann erreichen wir Weilheim, und es kommt das erste Wehr mit Bootsgasse. Ich habe keine Ahnung, ob sowas befahrbar sein könnte; Veronika meint, sie sei schonmal aus Versehen drübergefahren. Wir planen schon das Umtragen, aber dann kommt ein Schlauchboot mit zwei Nackten; mit der Zigarette in der Hand und dem Kasten Bier im Schlepp meinen sie, die Bootsgasse sei doch kein Problem, und fahren voraus – sie haben Recht, wir folgen. Dann kommt die Eisenbahnbrücke Richtung Peißenberg, anschließend fahren wir zwischen diversen modernen und etwas steril aussehenden Gebäuden durch. Es folgen dann wieder zwei Wehre, an denen man laut Karte umtragen muss; aber ich teste die Bootsgassen, schließlich muss man Erfahrung sammeln. In der ersten werde ich nass; bei der zweiten zögere ich lange, aber traue mich dann doch – Veronika meint, es sei schon machbar, ich würde nur nass werden. Recht hat sie. Obwohl ich etwas schräg komme, stoße ich nirgends an, aber unten schwappt eine Menge Wasser über das Deck bis über meine Hose, und ich komme im Badewannenbetrieb ans Ufer. Gut, dass es so warm ist.
Nach einer weiteren Wildwasserstelle (wieder mit etwas Wasser im Boot); ich kann es wieder gar nicht einschätzen, weil ich tiefer sitze als Veronika, und sie in ihrem offenen Kanadier aufstehen kann – vorausgesetzt, man hat einen guten Gleichgewichtssinn. Aber das letzte Wehr ist weniger fahrbar als es aussieht – oben zwar flach, aber unten lauert ein 1 m hoher Wasserfall. Wir tragen um. Wären bei meinem Kajak die Luftschläuche intakt, wäre es steifer als Veronikas Kanadier, der beim Tragen schon etwas durchhängt. Dann geht es weiter Richtung Ammersee. Die Ammer mäandert hier nur noch leicht zwischen Bäumen durch eine flache Wiesenlandschaft dahin; Veronika hat es eilig, und so paddeln wir flott dahin. Ich kann gerade so folgen; vielleicht weil mein Boot Schlagseite hat, oder sie hat eben mehr Training von ihrer Tour auf dem Regen von Cham nach Regensburg, über Ostern.
Endlich erreichen wir die ersehnte Eisenbahnbrücke, und bald die Straßenbrücke. Kurz dahinter beginnt ein Befahrungsverbot bis zum Ammersee; aber wir haben eh keine Zeit mehr. Kurz nach fünf sind wir an Land, bauen in Rekordzeit (20 min) die Boote ab und latschen nach Raisting. Durch die Hitze, der Sonne entgegen. Mir hängt die Zunge raus. Dummerweise übersehen wir die Bushaltestelle, und laufen eine halbe Stunde zu Fuß. Leider fährt uns trotzdem der Zug vor der Nase ab. Also ist noch Zeit für den Biergarten. Schnell noch eine Apfelschorle, dann kommt mein Zug nach Geltendorf – Veronika reist nach Oberammergau weiter. Flott geht es am Ammersee-Westufer entlang, in einem angenehm klimatisierten Zug – hätte ich nicht erwartet. Hinter Schondorf arbeitet sich der Zug den Berg hinauf, ich habe einen tollen Blick auf St. Ottilien, und bin dann schon in Geltendorf, wo gleich Anschluss nach München ist. Eine schöne Tour, mit einer sehr netten Mitpaddlerin. Das einzige Malheur war der geplatzte Luftschlauch; aber auch da hatte ich Glück im Unglück: Die Schläuche werden eh nach einiger Zeit undicht, und dafür wird es kostenlos Ersatz geben.
Auch auf dem Meer kann man paddeln; hier ist der zugehörige Reisebericht.
Aus den Erfahrungen von der letzten Tour wollte ich ein Gewässer mit ausreichend Wasser – gerade im Herbst und Trockenheit seit mehreren Wochen. Im Münchner Umland (und erreichbar mit öffentlichen Verkehrsmitteln) gibt es da nicht so viel: die Würm ist z.Zt. angeblich ziemlich unbefahrbar, die Amper hat zu wenig Wasser nördlich von Fürstenfeldbruck, die Mangfall ist wegen Wasserableitung wohl auch nicht so toll ... Loisach wäre vielleicht eine Möglichkeit, wobei dort einige Passagen trickreich sein dürften (Sohlschwellen!). Aber die Donau mit dem Donaudurchbruch ist eine Möglichkeit.
Mit dem Zug geht es via Ingolstadt nach Vohburg an der Donau. Es ist ein sonniger Morgen; ab Ingolstadt wird es etwas neblig. Weil der Bahnhof von Vohburg einige Kilometer abseits liegt, muss ich eine gute halbe Stunde zu Fuß zum Ort laufen; ich bin der Einzige, der an diesem dunstigen Morgen an diesem Bahnhof aussteigt, und als die Dame im Bahnhofsgebäude mich sieht, öffnet sie die Kette des Gleisübergangs, damit ich mit meinem Gepäck nicht die enge Treppe der Unterführung nehmen muss.
Vohburg ist ein netter, aber verschlafener Ort. Neben der gerade renovierten Donaubrücke ist eine Rampe, wo ich mein Boot aufbauen und einsetzen kann. Ein Spaziergänger kommt vorbei, erkundigt sich über das Boot und empfiehlt mir schließlich noch das Weltenburger Klosterbier. Dann fahre ich los. Zuerst geht es recht träge dahin – obwohl das Stauwehr bereits hinter mir liegt. Aber ab der nächsten Brücke wird es etwas schneller. Die Donau ist breit und eintönig, am Pionierübungsplatz ist niemand zu sehen, und auch die Orte in der Nähe – Pförring und Neustadt – sind außer Sichtweite. Irgendwann werde ich faul und lasse mich treiben; dabei merke ich, dass die Donau hier relativ flach ist (ca. 50 cm) und ordentlich strömt. Der Fluss wirkt zwar breit und träge wie immer, die Blätter schweben scheinbar bewegungslos im Wasser, aber unter mir flitzen die Steine vorbei. So in der Art muss das Fliegen mit einem Heißluftballon sein – vom Wind getragen, aber windstill und geräuschlos über die Landschaft hinweggleiten. Wenn ich paddle, komme ich auf 13 km/h. Nach zwei Stunden bekomme ich Hunger und mache eine Pause, kurz hinter Hienheim. Ich habe zwar Butterbrote dabei, aber die Dose liegt am Fußende, ich komme dort sitzend nicht ran. Plötzlich taucht ein Wohnmobil mit Amberger Kennzeichen auf; der Fahrer ist jedoch Australier, der mit seiner Frau seit einem halben Jahr durch Europa reist. Er ist sehr begeistert von meinem Boot und sagt, das hätte er in Schweden gut brauchen können. Wir unterhalten uns ganz nett, sie laden mich auf einen Kaffee in ihr Wohnmobil ein und geben mir noch ihre Adresse, falls ich mal nach Australien komme – sie wohnen in der Nähe der Whitsunday Islands, und haben ein Segelboot, mit dem sie am Great Barrier Reef herumsegeln.
Dann geht es weiter zum Donaudurchbruch. Leider hat es sich immer mehr bewölkt, und jetzt tröpfelt es leicht, hört aber dann wieder auf. Zuerst taucht auf der linken Seite ein Steilufer auf; die Strömung ist angenehm schnell, ich schaffe es, langsam einen keuchenden Jogger am Ufer abzuhängen. Dann, nach der Ortschaft Weltenburg, werden vereinzelte Felswände sichtbar, und auch auf der anderen Seite wird das Ufer steil. In einer scharfen Rechtskurve befindet sich dann das Kloster Weltenburg. Vor diesem stattlichen Bau am Gleithang erstreckt sich ein breiter Kiesstrand, wie ein roter Teppich. Ich lege an und schaue mich um: Im Klosterhof ist der Biergarten in einem Dornröschenschlaf, die Tische sind mit braunen Kastanienblättern bedeckt. Nur an den Tischen unter dem Vordach sitzen diverse Rentner-Reisegruppen.
Dann folgt der Donaudurchbruch. Steile Felswände, tief ausgewaschen, rostige Metallringe zum Treideln, eine Heiligenfigur. Mir kommt ein Passagierschiff entgegen; die Motoren brummen ganz schön, um gegen die Strömung anzukommen. Hinter den in das Wasser ragenden Felsnasen bilden sich ordentliche Kehrwasser; hier kann man gut spüren, wie sich das Boot dort verhält – bei der Isar-Tour gab es keine Kehrwasser, weil es generell kaum Wasser gab. Vor mir taucht ein Höhenzug mit der Befreiungshalle auf, und dahinter kommt schon Kelheim. Weil der Bahnhof Saal etwas abgelegen ist, will ich weiterpaddeln nach Bad Abbach (lieber paddeln als laufen, denke ich mir). Aber die Donau steht ab hier fast still und die restlichen Kilometer ziehen sich. An der Eisenbahnbrücke von Poikam steige ich aus und packe mein Boot zusammen; laut Luftbild müsste sich direkt hier der Bahnhof von Bad Abbach (welches ein paar Kilometer entfernt an der Donauschleife liegt) befinden. Ich frage zwei Joggerinnen, wo es zum Bahnhof geht – sie fragen „Bad Abbach?“ und schicken mich auf die andere Seite der Donau hinter das Industriegebiet. Da ist dann auch der Bahnhof Bad Abbach, ich renne und komme gerade noch rechtzeitig an – allerdings sehe ich später, dass es zum Haltepunkt Poikam nur gut 100 m gewesen wäre (warum haben die mich nicht dorthin geschickt, wo doch die Züge dort auch alle halten???). Knapp zwei Stunden später bin ich wieder in München.
Das Wetter ist schön – eigentlich gibt es wirklich keinen Grund, mein neues Boot nicht zu testen. Also geht es mit der S-Bahn nach Wolfratshausen. Weil ich zur U-Bahn und ab dem Bahnhof doch ein Stück laufen muss, nehme ich die Falt-Sackkarre mit. Weil es näher ist, laufe ich vom Bahnhof zur Loisach; hinter Stoibers Haus (zu erkennen am Mast mit Überwachungskameras und dem grünen Männchen mit Maschinenpistole davor), unterhalb des Wehrs, baue ich das Boot auf. Ich bekomme sogar die Sackkarre mit ins Boot hinein – sie passt hinter dem Sitz zwischen die Spanten, wenn man die Luftschläuche erst danach aufbläst. Dann geht’s los; die Loisach hat eine ordentliche Strömung, ich muss vor allem steuern, aber überhole bald zwei Leute in einem Schlauchboot. Sie fragen mich, wie weit ich kommen will – keine Ahnung, ist ja das erste Mal.
Bald erreiche ich die Isar, die zwischen breiten Kiesbänken strömt. Sehr idyllisch – bei perfektem sonnigen Herbstwetter, bei warmem Wind im T-Shirt über das kristallklare Wasser gleiten. Beim Ickinger Wehr muss ich zum ersten Mal umtragen; es ist gleichzeitig die erste Möglichkeit zum Fotografieren – ansonsten war keine Zeit, ich musste ständig das Boot auf Kurs halten. Trotz der Nähe zu München wirkt die Isar hier ziemlich unberührt, von Siedlungen ist nichts zu erkennen, und nur vereinzelt sieht man Menschen, die sich auf den Kiesbänken sonnen. Wunderschön!
Nach insgesamt zwei Stunden erreiche ich den Georgenstein (schaffe es kaum, ihn zu fotografieren) und muss anschließend am Wehr Baierbrunn wieder umtragen; die neue Umtragestelle ist hinter der Einfahrt in den Kanal. Da ab diesem Wehr der Isar wenig Wasser bleibt, muss ich das Boot weit über Kiesbänke schleppen. Und kaum will ich losfahren, sitze ich schon auf, weil es zu flach wird. Das passiert im folgenden Abschnitt öfters; entweder ist die Strömung gut, aber das Wasser so flach, dass ich nicht paddeln kann und regelmäßig aufsitze, oder das Wasser steht und hat keine Strömung. Trotz dass ich jetzt schon fast an der Münchner Stadtgrenze bin, wirkt die Isar immer noch unberührt – nur die Burg Grünwald und die Burg Schwaneck überragen das Tal, später tauchen die Häuser von Pullach auf. Von der Stadt aus sieht man die Isar kaum, und von der Isar aus fühlt man sich mitten in der Natur, nicht zu erreichen mit Fahrrad oder Auto. Ich bin durch eine Welt gefahren, die, obwohl sie so nah ist, bisher für mich immer versteckt war. Vor dem Großhesseloher Wehr gehe ich nach insgesamt drei Stunden Fahrzeit an Land, baue das Boot ab, zerre es die Stufen zur Eisenbahnbrücke hoch, laufe durch Grünwald (Fußgängerverkehr scheinen die in den Wohngebieten nicht zu kennen – die Fußwege sind zugewachsen und/oder zugeparkt ;-), erreiche auf nicht direktestem Weg die Straßenbahnhaltestelle und fahre heim. Ein schöner Tag!
Die Flussbefahrungen waren nicht nur Erlebnisse – in den meisten Fällen bin ich durch eine wunderschöne Landschaft gekommen, die ich vorher gar nicht so kannte –, sondern ich habe eigentlich von jedem Gewässer etwas gelernt:
Isar: Grundlagen; wie leichtes Wildwasser ist; wie man mit wenig Wasser umgeht;
Donau: dass ein wasserreicher Fluss schnell fließen kann, ohne dass man es ihm ansieht, im Gegensatz zu Wellen und Rauschen bei wenig Wasser; und dass ein sehr breiter Fluss mit wenig Strömung tödlich für die Motivation ist, weil man glaubt zu stehen, aber nur die Entfernungen so groß sind
Lagune von Venedig: dass Rückenwind nerviger sein kann als Gegenwind, weil ersterer den Geradeauslauf beeinträchtigt und man viel mehr Kurskorrekturen machen muss; und dass man das Land vom Wasser aus schlecht beurteilen kann, beispielsweise können sich Inseln verdecken oder zusammenhängend erscheinen – eine Karte hilft da wenig, weil die horizontale Ansicht meist deutlich anders ist als man es von der Draufsicht der Karte erwarten würde, ein GPS mit Kartendarstellung ist darum sehr hilfreich
Ammer: wie es ist, wenn man ein recht hohes Wehr mit Bootsgasse befährt; und wie schlecht ein Boot läuft, wenn ein Luftschlauch defekt ist
Amper: wie hilfreich eine Spritzschürze ist, weil man dann leichtes Wildwasser fahren kann, ohne dass das Wasser ins Boot schwappt; und wie wichtig es ist, ausreichend zu essen und zu trinken
Loisach: wie deutlich sich die Kraft des Flusses unterscheidet, wenn man im Boot sitzt und wenn man schwimmt; wie brutal ein schnell strömender Fluss angreifen kann, sobald man etwas mehr Widerstand (und damit Angriffsfläche) bietet; wie starker Gegenwind einem das Spritzwasser ins Gesicht wehen kann; und wie viel Zeit das Umtragen kostet
Rhein: wie plötzlich sich die Strömung ändern kann von einem See zu einem deutlich strömenden Fluss; wie es mit viel Bootsverkehr auf einem Fluss ist;
Salzach: wie schnell ein träge und unspektakulär aussehender Fluss fließen kann
Pegnitz: den Umgang mit Baumhindernissen (wie man einen querliegenden Baum am besten überfahren kann); dass man bei schneller Strömung, vielen Kurven und vielen Ästen, die ins Wasser hängen, diesen kaum schnell genug ausweichen kann; wie wenig Reaktionszeit man auf einem schmalen Fluss, der relativ schnell strömt, hat, und sich deshalb kaum treiben lassen kann; wie gefährlich die Strömung an einem Wehr sein kann
Will jemand mitfahren?
Isar, von Lenggries bis Wolfratshausen
Regen, von Blaibach nach Regenstauf
Altmühl, von Treuchtlingen bis Kinding
Tauber
auf der Attel
Seekajak: Evtl. zum Leuchtturm Roter Sand? Geht das?